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Katharsia (German Edition)

Katharsia (German Edition)

Titel: Katharsia (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Magister
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erhob sich kirchturmhoch ein Stahlgerüst, das an die Decke des gewaltigen Gewölbes stieß. Darin fuhren mit Abraum beladene Container nach oben und verschwanden in einem Loch im Felsmassiv. Im Gegenzug tauchten leere Transportbehälter auf, die, unten angekommen, auf Gleisen in die Tiefe des Tunnels hineinrollten. Die Köpfe im Nacken, bewunderten Sando, Gregor und Nabil das Ausmaß der Anlage.
    „An dieser Stelle steht über Tage einer der beiden Fördertürme, die wir in der verbotenen Zone gesehen haben“, rief Sando.
    „Richtig“, bestätigte Jimmy. „Der zweite Förderturm gehört zur Baustelle des benachbarten Traktes, der ebenfalls verlängert wird.“
    Jimmy steuerte die Gondel gemächlich an dem mächtigen Fördergerüst vorbei, bis der leere Tunnel mit mehreren parallel verlaufenden Gleisen vor ihnen lag. Dann beschleunigte er, holte – ungeachtet des regen Containerverkehrs – das Maximum aus dem Gefährt heraus. In ihren Schutzanzügen spürten sie den Fahrtwind kaum. Das Kokonmaterial schmiegte sich nur ein wenig fester an ihre Haut.
    Dann waren sie vor Ort. Dreißig Kilometer von der Zentralhalle entfernt. Gleich einem riesigen Wurm fraß sich hier ein Koloss in den Fels. Dessen steinezermalmende Beißwerkzeuge erzeugten einen ohrenbetäubenden Lärm. Doch zu sehen war nur das Hinterteil des Monsters, das Felsbrocken auswarf wie Kot.
    „Ihr habt Glück, dass ihr das noch sehen könnt“, schrie ihnen Jimmy zu. „Es fehlt nicht mehr viel bis zur geplanten Länge der Röhre.“
    Unvermittelt brach der Lärm ab. Das Monster hatte aufgehört zu fressen. Sein Hinterteil setzte ein wenig zurück. Oben auf der Maschine befand sich eine Plattform, zu der eine Leiter führte. Ein Mann kletterte hinauf, hielt ein Messgerät auf die Decke gerichtet. Kurz darauf schüttelte er den Kopf. „Noch zwei Meter!“, rief er.
    Er erntete Stimmen des Protestes: „Das kann nicht sein!“ – „Nach unseren Unterlagen sind es nur noch zwölf Zentimeter.“
    Der Mann auf der Plattform stieß unverständliche Verwünschungen aus, hangelte sich umständlich die Leiter herunter und streckte einer Gruppe von Arbeitern das Messgerät hin.
    „Denkt ihr, das Gerät lügt?“
    Die Wirkung war Erstaunen, das in Niedergeschlagenheit mündete. „Wir wollten heute fertig werden“, rief einer.
    Die Gruppe zerstreute sich. Kurz darauf ruckte der Koloss an, begann wieder zuzubeißen.
    Der Mann mit dem Messgerät sprang in ein kleines Schienenfahrzeug und fuhr an Sando, Gregor, Nabil und Jimmy vorbei in Richtung Zentralhalle.
    „Doktor Fasin!“, rief Sando erstaunt.
    Doch der Doktor nahm keine Notiz von ihnen. Sandos Ruf ging im Wummern der Vortriebsmaschine unter.
    Wenig später traten auch sie den Rückweg an. Als sie weit genug von der Baustelle entfernt waren, dass eine Unterhaltung möglich war, fragte Gregor: „Wie kommt es, dass sich Doktor Fasin um die Länge des Stollens kümmert?“
    Jimmy lächelte. „Er kämpft um jeden Zentimeter. Er will mehr Platz für die Seelen schaffen. Was das Mitleid mit den Inhaftierten betrifft, ist er wie der Junge.“ Jimmy nickte in Sandos Richtung. „Also, ich finde, er übertreibt da ein wenig … Nebenan in Trakt D, der auch verlängert wird, hat er sogar zweihundert Meter Zugabe durchgesetzt.“
    „Einfach so? Das kostet doch eine Menge“, wunderte sich Nabil.
    „Er hat das Geld aufgetrieben. Jamal al Din, der Bauunternehmer, hat wohl das meiste davon spendiert.“
    „Der mit dem umstrittenen Vergnügungspark?“
    „Eben der. Aber wie es scheint, ist jetzt die Geldquelle versiegt. Jamal al Dins Geschäfte laufen nicht mehr so, wie sie sollen. Kein Wunder nach dem Bombenanschlag …“
    Während dieses Gespräches passierten sie den Abschnitt, den Sando als „Strafbunker“ bezeichnet hatte. Hier sah er die Kokonbehälter aus der Zentralhalle wieder. Sie standen aufgestapelt an der Wand des Zellentrakts. Selbst im Vorbeifahren konnte er erkennen, dass sie leer waren. Marias Mörder, Jussuf Mahmoud, steckte irgendwo hier in einer der hoffnungslos überfüllten Zellen.
    Er wartet auf den Erlöser , dachte Sando und wünschte sich, dass er nie kommen möge.
    Die Inspektion hatte Sando, Gregor und Nabil den ganzen Tag gekostet. Als sie wieder im Zentralbau eintrafen, war es längst an der Zeit, nach Hause zu fahren. Doktor Fasin erwartete sie bereits im Korridor an der Tür seines Sprechzimmers.
    „Na, meine Herren? Haben Sie den Presseball vergessen, zu dem wir alle

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