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Katharsia (German Edition)

Katharsia (German Edition)

Titel: Katharsia (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Magister
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Die Rettung naht in Gestalt eines Knaben.“
    Die Folter hat ihn verwirrt , dachte Sando.
    „Ich würde Ihnen gern helfen“, sagte er behutsam, „aber ich fürchte, ich habe nicht die Macht dazu.“
    „Du hast einem dieser Teufel die Stirn geboten. Ich habe es mit angehört. Du musst sehr mächtig sein“, kam es zurück.
    Die Hoffnung schien der Seele Kraft einzuflößen. Sie richtete sich so weit auf, wie es das enge Gefäß zuließ, und schaute Sando unverwandt an. Sando wich dem Blick aus. Diese kalten Augen! Er fühlte sich unangenehm berührt.
    „Nur Allah weiß, warum er mir diese Prüfung auferlegt hat“, begann die Seele wieder, „warum er mich der Hölle überantwortet hat.“
    „Sie wissen es nicht?“
    „Ich erinnere mich nicht.“ Die Seele stöhnte auf.
    „Haben Sie Schmerzen?“
    „Das ist nicht das Schlimmste. Schlimmer ist diese Leere.“
    „Was meinen Sie damit?“
    „Wenn ich das wüsste. Es ist alles weg. Die Erinnerung …“ Die Seele presste die Handflächen gegen die Schläfen.
    „Da war ein Versprechen … Oh Allah, sag, was hattest du mir verheißen?“
    Sando dämmerte, wovon sein Gegenüber sprach. „Diese Verheißung – war es das Paradies?“
    In die Augen der Seele trat ein Glanz.
    „Ihnen wurde das Paradies versprochen, nicht wahr?“, bohrte Sando nach.
    „Das Paradies …“, echote die Seele und es dauerte eine Weile, bis die Bedeutung des Wortes in ihrem Bewusstsein angekommen war. Dann zirpte sie gerührt: „Du bist gekommen, um mir Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.“
    Verwirrt und ratlos starrte Sando in das Kokonglas. Wieder durchströmte ihn dieses unangenehme Gefühl, das ihm eher Flucht gebot als Erbarmen mit dieser armseligen Kreatur.
    „Waren Sie ein Gotteskrieger?“, fragte er.
    „Gotteskrieger …“, wiederholte die Seele und lauschte dem Klang des Wortes nach.
    Dann fragte sie unvermittelt: „Dein Gesicht, Junge, woher kenne ich es?“ Und beinahe schwärmerisch setzte sie hinzu: „Allah ist weise. Er schickt mir keinen Fremden.“
    Sando wusste nicht, was er davon halten sollte. Er hatte lediglich das starke Gefühl, dass er diese stechenden Augen schon einmal gesehen hatte. Das spürte er mit allen Fasern seines Körpers. Und plötzlich wusste er es: Der Mann im Bus war vermummt gewesen! Sando verschlug es den Atem, als er begriff, wen er vor sich hatte: Jussuf Mahmoud!
    „Du bringst mich ins Paradies, nicht wahr?“, zirpte Mahmoud hoffnungsfroh.
    Sando stand starr und rang um Fassung.
    „Sie haben Maria ermordet!“, presste er hervor.
    Der Gotteskrieger japste wie ein Fisch in einem zu kleinen Aquarium. „Ein Gotteskrieger mordet nicht!“, fiepte er aufgebracht und wieder presste er seine Handflächen gegen die Schläfen. „Diese Leere … Wenn ich es doch wüsste …“
    Flehend schaute er Sando an.
    „Sag, Junge, war es mir vergönnt, Ungläubige zu bestrafen, so wie ER es wollte?“
    Auf einmal war sich Sando nicht mehr so sicher, ob es eine gute Idee war, den Hades aufzulösen. Er holte tief Luft, bevor er sagte: „Ich glaube nicht, dass ER es wollte. Wären Sie sonst hier?“ Abrupt wandte er sich ab.
    „He! Komm zurück, Junge! Hilf mir!“, zirpte es hinter ihm.
    Die Stimme klang flehend.
    Doch Sando ließ Jussuf Mahmoud stehen. Keine Sekunde länger hielt er es aus bei dem Mörder Marias. Er kletterte zu Gregor, Nabil und Jimmy in die Gondel. Vergessen war die Absicht, den Hades zu verlassen.
    Von den endlosen Fahrten in die nächsten Gänge bekam er kaum etwas mit. Abwesend starrte er auf den Boden. Jimmys Fragen nach Seelenresten beantwortete er stereotyp mit: „Es ist alles sauber.“ Nur selten, wenn die silbrig schimmernden Flecken allzu auffällig waren, wies er knapp darauf hin. Dann notierte Jimmy eifrig die Stellen, froh, am Ende mit einem Inspektionsergebnis aufwarten zu können.
    In Sandos Kopf herrschte ein heilloses Durcheinander. Die Begegnung mit dem Mörder Marias, der letztlich auch seinen Tod verschuldet hatte, machte ihm zu schaffen. Jetzt hatte sich zu den kalten Augen der vermummten Gestalt im Bus ein Gesicht gesellt: Jussuf Mahmoud. Doch was fing er damit an? Er hasste diesen Mann und er ertappte sich bei der Vorstellung, wie er ihn in Doktor Fasins Apparaturen sperrte und quälte, langsam, bis dem Mörder das Licht ausging, bis die Sensoren keine Spur mehr von ihm nachweisen konnten.
    Seine Gefährten ließen ihn indes in Ruhe. Sandos Einsilbigkeit auf der Fahrt und während der kleinen

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