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Katharsia (German Edition)

Katharsia (German Edition)

Titel: Katharsia (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Magister
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Essenspause, die sie nach der Rückkehr aus dem dritten Trakt einlegten, schoben sie auf den Streit, den sie zu Beginn der Inspektion hatten, und auf die stundenlange Konzentration, mit der er auf die Fahrstrecke starren musste.
    So gelangten sie zu Trakt E, dem fünften und letzten, den sie zu inspizieren hatten. Sando erinnerte sich an den Alarm, den er hier am Vortag erlebt hatte.
    Als sie den Abschnitt erreichten, wo die Wachmänner bis zu den Knien in Seelenteilen gewatet waren, schaute er genauer hin. Doch an dieser Stelle hatte die Putzkolonne offenbar besonders gründlich gearbeitet. Keine Spur war zu entdecken. Auf Jimmys fragenden Blick hin schüttelte Sando nur den Kopf.
    Wenig später, seine Gefährten hatten schon nicht mehr geglaubt, an diesem Tag noch etwas von ihm zu hören, platzte er dann doch mit einer Frage heraus: „Sagen Sie, Jimmy, ist es richtig, dass dieser Abschnitt als Strafbunker dient? Hierher kommen doch die Seelen nach einer Sonderbehandlung, nicht wahr?“
    Jimmy schien es nicht recht zu sein, dass Sando wieder mit dem Thema anfing. Reserviert antwortete er: „Strafbunker ist vielleicht etwas übertrieben, aber im Prinzip hast du Recht.“
    Sando bohrte weiter: „Kommen hier auch die Seelen hin, die wir vorhin im Zentralbau gesehen haben?“
    „DU hast sie gesehen, Junge. Können wir das Thema nicht lassen?“
    „Kommen sie hierhin?“
    Sando ließ nicht locker.
    „Ich glaube schon“, war die einsilbige Antwort.
    „Glauben Sie es oder wissen Sie es?“
    Jimmy verdrehte die Augen, wollte sich aber nicht die Blöße geben, die Antwort zu verweigern. „Also … ich weiß, dass sie hierher kommen. Warum fragst du?“
    „Eine der Seelen kannte ich.“
    Gregor sah Sando mit geweiteten Augen an. „Hast du ihn etwa gefunden?“
    „Wen?“, fragte Jimmy neugierig.
    Sando wusste, dass Gregor von Wolfenhagen sprach, und schüttelte den Kopf.
    „Nicht ihn, einen anderen.“
    „Was soll die Geheimnistuerei, Junge?!“, regte sich Jimmy auf. „Du willst dieser Seele doch nicht etwa heimlich helfen?“
    „Nein, da können Sie ganz beruhigt sein“, sagte Sando finster.
    Aus seiner Stimme sprach so viel Hass, dass Gregor und Nabil erschrocken aufschauten.
    „Wer war es? Sag schon!“, drängte Nabil. Sando brauchte einige Zeit, bis er sagen konnte: „Marias Mörder.“
    „Bist du sicher?“, fragte Gregor ungläubig.
    Sando nickte nur.
    Immer tiefer rollte die Gondel in den Trakt hinein.
    „Was wirst du nun tun?“
    In Gregors Stimme klang die Furcht, Sando könnte sich zu einer Dummheit hinreißen lassen.
    Der zuckte jedoch nur die Achseln. „Ich weiß es nicht. Am liebsten würde ich ihn …“ Das Wort „Sonderbehandlung“ stand unausgesprochen im Raum.
    „Ich glaube nicht, dass dir danach leichter wäre“, sagte Gregor sanft. Sando seufzte.
    Wenig später erreichten sie das Ende des Traktes. Es war mit Kokonbahnen zugehängt. Dahinter lag die Baustelle – weitere zehn Kilometer leerer Tunnel, in den noch die Etagen mit den Zellen eingebaut werden mussten.
    Sando war so mit seinen Gedanken beschäftigt, dass er gar nicht mitbekam, wie Jimmy vorschlug: „Lassen Sie uns in die Baustelle hineinfahren!“
    Gregor und Nabil waren unschlüssig. Sie hatten das Gefühl, heute genug gefahren zu sein. Es drängte sie, frühzeitig nach Hause zu kommen, denn am Abend winkte ein weit erfreulicheres Ereignis als diese Hadesinspektion: der Presseball, zu dem Massef sie eingeladen hatte.
    Doch ehe einer der beiden etwas sagen konnte, entschied ihr Begleiter: „Eine kleine Besichtigung, so viel Zeit muss sein.“ Und mit einem Seitenblick auf Sando, der sehr in sich gekehrt war, setzte er hinzu. „Etwas Abwechslung wird ihm guttun.“
    Jimmy stieg aus und ging zu einer kleinen Säule mit Schaltknöpfen. Auf einen Fingerdruck hin hob sich die Kokonbahn wie ein Vorhang im Theater. Sie fuhren hindurch und gelangten in ein spärlich beleuchtetes Gewölbe, dessen Dimensionen man nur erahnen konnte. Hinter ihnen senkte sich der Vorhang wieder. Einige Dutzend Meter vor ihnen schimmerte eine weitere Kokonbahn im trüben Licht.
    „Wir sind jetzt in der Schleuse zur Baustelle“, sagte Jimmy und seine Stimme hallte einige Sekunden nach. „Wären Seelen mit uns hier hereingekommen, hätte es Alarm gegeben. Aber es ist alles in Ordnung.“
    Sie rollten auf den zweiten Vorhang zu und als dieser sich öffnete, schlugen ihnen grelles Licht und metallisches Scheppern entgegen. Wenige Meter vor ihnen

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