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Katharsia (German Edition)

Katharsia (German Edition)

Titel: Katharsia (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Magister
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Hand zu führen.“
    Als Sando dies hörte, entfuhr es ihm: „Jannis hat Recht!“
    Gregor verdrehte die Augen. „Du schon wieder …“
    Sando reagierte sauer. „Glaubst du wirklich, dass du den Hades verbessern kannst?“, fuhr er Gregor an. „Du hast doch gehört: Sie foltern aus Überzeugung! Und sie werden es weiter tun, weil sie Angst haben! Der Feind ist unsichtbar – und das wird sich nicht ändern lassen. Ich sage dir, der Hades gehört abgeschafft!“
    „Du hast doch einen mächtigen Freund“, konterte Gregor. „Rede mit ihm! Vielleicht hat er ja ein Einsehen und macht deine Märchenfantasien wahr.“
    „Märchenfantasien?“ Sando schluckte. „Ich weiß, dass Wanderer nicht meiner Meinung ist und dass er Jannis nicht für voll nimmt, aber … Ach was soll’s …“
    Resigniert starrte Sando auf den Boden des Zellentrakts, doch die Strecke war sauber und entflohene Seelen geisterten auch nicht herum.
    Es herrschte ein verstimmtes Schweigen, bis sie endlich das Ende des Ganges erreichten. Nun hieß es, zurückzufahren zur Zentralhalle, um den zweiten der fünf Gänge zu inspizieren. Sando graute schon davor.
    Auf dem Rückweg nahm die Gondel schnellere Fahrt auf und Sando hielt die Augen geschlossen, um sie nach der Anstrengung ein wenig auszuruhen. Da es aussah, als ob er schliefe, ließen ihn die anderen in Ruhe. Sando empfand es als angenehm, mit niemandem reden zu müssen.
    Wieder in der Zentralhalle angekommen, machten sich die vier wortlos auf den Weg zum Eingang des nächsten Traktes. Auf halber Strecke stand am Rande des rot ausgelegten Pfades ein mannshoher Stapel durchsichtiger Kokonbehälter. Gregor und Nabil gingen achtlos daran vorbei. Sando aber blieb wie angewurzelt stehen, denn in jedem der Gefäße, die wie Aquarien anmuteten, steckte eine Seele. Allesamt waren sie in einem bejammernswerten Zustand. Kraftlos dämmerten sie am Boden ihrer mobilen Zellen und schienen nichts von dem mitzubekommen, was um sie herum in der großen Halle geschah. Manche der Behälter schienen leer zu sein. Erst auf den zweiten Blick entdeckte Sando, dass sie mit überaus durchsichtigen, nahezu energielosen Seelen besetzt waren. Nur sehr wenige brachten noch die Kraft auf, ihre Augen offen zu halten. Sie verfolgten furchtsam jede Bewegung, die sich vor ihren Kokonkäfigen abspielte.
    „Sie kommen von der Sonderbehandlung“, sagte Jimmy, der neben Sando stehen geblieben war und ihn neugierig beobachtete. „Sieht man es ihnen an?“
    „Sie sehen schlimm aus“, murmelte Sando.
    Jimmy verzog spöttisch den Mund und meinte: „Wenn es dich tröstet: Es sind die Letzten, die es vor dem Verbot noch getroffen hat.“
    Der Ton, mit dem er das sagte, machte wiederum deutlich, dass ihm das Verbot gegen den Strich ging. Doch Sando hielt einen neuerlichen Streit für sinnlos.
    „Was wird aus ihnen?“, wollte er wissen.
    „Das Übliche. Sie kommen in die Zellen zurück“, sagte Jimmy leichthin.
    Sando war entsetzt. „In dem Zustand?“
    „Tja, weißt du, wir können ihren Zustand nicht sehen“, entgegnete Jimmy ungerührt.
    „Aber ich!“, rief Sando. „Sie brauchen einen Arzt! Sie gehören zu Doktor Fasin.“
    Jimmy hob abwehrend die Hände. „Wo denkst du hin?! Er kann sie nicht alle behandeln. Außerdem … Sie verdienen es nicht, es sind Verbrecher.“
    „Und was seid ihr?“, fragte Sando zornig.
    Jimmy warf ihm einen beleidigten Blick zu. „Du hast ja keine Ahnung, Junge.“
    Damit wandte er sich ab und folgte Gregor und Nabil, die bereits an der Gondelstation des zweiten Trakts warteten.
    Sando kochte. Es hatte alles keinen Zweck. Er wollte raus aus dieser Hölle. Wanderer würde es verstehen. Er hatte ihm versprochen, dass er die Aktion im Hades jederzeit abbrechen könnte. Jetzt war es so weit. Er rannte los, wild entschlossen, zur Gondelstation zu laufen, um die Heimreise anzutreten.
    In diesem Moment drang ein schwaches Zirpen an sein Ohr. Es kam von den Kokonbehältern.
    „He, Junge, komm zurück!“
    Hatte er sich verhört? Sando blieb stehen und näherte sich wieder den Behältern mit den gefolterten Seelen. Diesmal hörte er die Stimme deutlicher.
    „Ein Wunder! Er hat mich erhört! Allah schickt mir ein Zeichen hinab in die Tiefe der Hölle.“
    Sando hielt Ausschau nach der Seele, die ihn gerufen hatte.
    „Wo bist du?“, fragte er.
    In einer der oberen Reihen der Behälter, etwa in Augenhöhe, rührte sich etwas. Eine geschundene Gestalt hob mühsam den Kopf.
    „Allah sei Dank!

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