Katharsia (German Edition)
sich.
Sando sagte knapp: „Hier Sando Wendelin.“
Als keine Reaktion erfolgte, setzte er hinzu: „Der Auvisor.“
„Ist mir bekannt“, sagte die Stimme reserviert.
„Ich muss Herrn Wanderer sprechen! Es ist dringend!“
„Es ist immer dringend. Aber es geht jetzt nicht. Du hast gewiss davon gehört, was hier los ist.“
„Der Key ist wieder aufgetaucht, das sollte Herr Wanderer wissen“, sagte Sando, ohne sich auf lange Diskussionen einzulassen.
Nach einem Augenblick des Schweigens kam von der anderen Seite: „Moment! Bleib dran, Junge!“ Es knackte in der Leitung.
„Was höre ich da, Sando? Der Key ist wieder da?“
Es war der Präsident persönlich.
„Ja, ich habe ihn mit eigenen Augen gesehen.“
„Das ist ja wunderbar! Endlich mal eine gute Nachricht! Die kann ich brauchen.“
„Steht es sehr schlimm bei Ihnen, Herr Wanderer?“
Der Präsident seufzte.
„Das Ultimatum läuft in wenigen Stunden ab. Lasse ich es verstreichen, ist es das Todesurteil für Heide Brandau. Ich kann doch meine beste Mitarbeiterin nicht diesen Leuten überlassen!“
„Vielleicht finden Sie sie ja noch …“, sagte Sando, wenig überzeugt, dass sich das Problem so einfach lösen ließe.
„Natürlich lasse ich nach ihr suchen.“ Wanderers Stimme verriet Hoffnungslosigkeit. „Die Fahndung läuft auf Hochtouren. Aber ich fürchte …“
„Sie dürfen sich ihnen nicht ausliefern, Herr Wanderer!“, unterbrach ihn Sando impulsiv.
„Das sagt auch Professor Strondheim. Er wirft mir vor, zu emotional an die Sache heranzugehen. Als Präsident dürfe ich mich nicht erpressen lassen, sonst sei ich hier fehl am Platze. Stell dir vor, so redet er mit mir, Sando. Er ist übrigens bei mir und hört unser Gespräch mit.“
Aus dem Hintergrund rief der Professor: „Hallo! Strondheim hier. Danke für die gute Nachricht! Wo hast du denn den Key gefunden?“
„Auf dem Presseball der ,Makala Press‘. Maria … ich meine … die Freundin des Unternehmers Jamal al Din hat den Key in aller Öffentlichkeit getragen.“
„Woher willst du wissen, dass es der Richtige war?“
„Er hat Retamin erzeugt.“
„Tatsächlich?“ Die Skepsis in Strondheims Stimme war nicht zu überhören.
„Wirklich“, bekräftigte Sando. „Ich habe es mehrfach erlebt. Ich weiß, wie Retaminnebel aussieht.“
„Hast du eine Vorstellung, was den Key aktiviert haben könnte?“, fragte der Professor.
„Keine Ahnung.“
„Schade“, ließ sich Wanderer enttäuscht vernehmen.
Doch Professor Strondheim gab sich damit nicht zufrieden. „Bitte, Sando, kannst du schildern, was gerade los war, als der Key zu qualmen begann? Ist dir da irgendetwas aufgefallen?“
„Na ja … da waren viele Menschen. Sie redeten alle durcheinander.“
„Kein Wunder bei einem Presseball“, kommentierte Professor Strondheim spöttisch.
„Dann gab es Lautsprecherdurchsagen, weil die Leute wegen einer Bombendrohung das Gelände verlassen sollten.“
„Eine Bombendrohung?“
Es war Wanderers Stimme.
„Ja ... jemand wollte den Interkontinentalgleiter von Vitelli in die Luft jagen.“
„Vitelli von der ,Katharsia TIMES‘?“, fragte Wanderer besorgt.
„So ist es“, bestätigte Sando. „Er hält sich gerade in Makala auf. Er hat auch vor dem Ball noch versucht, Sie zu erreichen. Hat man Ihnen denn seine Nachricht nicht weitergeleitet?“
„Nein, hat man nicht. Der Informationsfluss ist auch nicht mehr das, was er mal war, seit Mrs. Brandau …“
Der Präsident brach ab.
„Ist dir noch etwas aufgefallen, Sando?“, unterbrach Strondheim die unangenehme Stille.
„Nein … eigentlich nicht.“ Sando zögerte. „Na ja … vielleicht … Da war noch der Rettungswagen.“
„Mit eingeschalteter Sirene?“
„Ja, die Sirene hat geheult.“
„Interessant …“, sagte der Professor. „Als ich kurz vor der Flucht aus dem Retamininstitut noch schnell den akustischen Aktivierungscode für den Key programmieren wollte, ging die Alarmsirene los. Ich habe den Vorgang abgebrochen, weil ich schnell verschwinden musste. Aber wer weiß, vielleicht ist in der Hektik das Geräusch als Code gespeichert worden …“
Alarmsirenen als Auslöser! Sando ging in Gedanken die Situationen durch, in denen der Key Retamin erzeugt hatte: Das erste Mal geschah das im Helikopter des KORE. Kurz vor seinem rettenden Sprung in die Tiefe hatte eine Sirene an Bord vor der Kollision mit Stadlmeyrs Riesenechse gewarnt. Die zweite Situation war das Brainscreening in
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