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Katharsia (German Edition)

Katharsia (German Edition)

Titel: Katharsia (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Magister
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geschlossenen Augen und atmete tief. Jannis spürte, was mit dem Jungen los war, und ließ ihm die Zeit, die er brauchte, um sich zu fangen.
    „Dieser Jussuf Mahmoud“, nahm Sando endlich das Gespräch wieder auf, „wurde wie alle Gefolterten in einen Sondertrakt gesperrt. Ich bin mal drin gewesen. Dort stecken Hunderte Seelen zusammengepfercht in einem kleinen Raum.“ Er sprach leise, ohne sich Jannis zuzuwenden. „Merkwürdig war, dass sie nicht wild durcheinanderwuselten, sondern sich alle wie auf Kommando in die gleiche Richtung bewegten. Sie wirkten … wie ferngesteuert.“
    Jannis horchte auf. „Wie ferngesteuert? Das bedeutet, es muss einen Steuermann geben und ein Ziel, das er verfolgt. Vielleicht Wolfenhagen?“
    Sando zuckte die Achseln. „Vielleicht, vielleicht auch nicht.“
    „Was dieser Steuermann vorhat, wissen wir noch nicht“, setzte Jannis seinen Gedanken fort, „aber dieser Sondertrakt mit den Gefolterten könnte ein Ausgangspunkt für deine Suche nach ihm sein.“
    Sando war nicht wohl bei der Vorstellung, wieder eine dieser vollgestopften Zellen betreten zu müssen.
    „Ich hasse es!“, sagte er.
    Jannis überhörte das. Gedankenverloren schwebte er zur Decke, wo ein vierarmiger Kronleuchter hing. „Was sind das für Bauarbeiten im Hades?“, fragte er unvermittelt.
    „Wie?“
    Der plötzliche Themenwechsel machte Sando zu dieser späten Stunde ein wenig zu schaffen.
    „Ach so, die Bauarbeiten …“, sagte er dann. „Woher wissen Sie davon?“
    „Meine Mitstreiter haben beobachtet, dass die Fördertürme in der verbotenen Zone große Abraummengen zutage bringen.“
    „Ihre Mitstreiter? Meinen Sie die Demonstranten am Sicherheitszaun?“
    „Genau die“, bestätigte Jannis. „Also, Sando, was wird dort unten Großes gebaut?“
    „Zwei Zellentrakte werden verlängert. Es geht um bessere Haftbedingungen. Die Seelen sollen mehr Platz haben. Doktor Fasin hat sogar durchgesetzt, dass die beiden Trakte über den ursprünglichen Plan hinaus verlängert werden.“
    „Ach, wirklich? Wie hat er denn das zuwege gebracht? Jeder Meter Tunnel kostet ein Vermögen.“
    „Das Geld dafür kam von Jamal al Din, dem Unternehmer. Doktor Fasin hat es mir gesagt.“
    Eine plötzliche Eingebung jagte Sando einen kalten Schauer über den Rücken.
    Jamal al Din! Der Mann, der den Hühnergott besaß und demzufolge zu den Seelenrettern gehörte, streckte seine Finger nach dem Hades aus!
    Aufgeregt teilte Sando Jannis seine Überlegungen mit.
    „Die Lunte brennt schon dort unten“, sagte Jannis düster, während er durch das Kreuz des vierarmigen Kronleuchters schwebte. „Ich frage mich, warum lässt er den Tunnel verlängern? Was hat er davon?“
    Sando schaute gebannt hinauf. Das Bild, das Jannis bot, faszinierte ihn.
    „Keine Ahnung“, sagte er mechanisch.
    Plötzlich kam Bewegung in die Seele. Sie wuselte durch den Raum auf die Bücherregale zu, betrachtete aufmerksam die darin aufgereihten Bände.
    „Suchen Sie etwas?“, fragte Sando.
    „Hast du eine Karte von Makala und den schwarzen Bergen?“
    „Sicher.“
    Sando kroch unter seiner Bettdecke hervor und griff nach einem gefalteten Plan, der kaum sichtbar zwischen den Büchern im Regal klemmte.
    „Hier! Ich hoffe, Sie finden, was Sie suchen.“
    Er legte den Plan auf den Tisch und faltete ihn auseinander. „Großartig!“ zirpte Jannis, über dem Blatt schwebend. „Sehr detailgetreu. Sogar Doktor Fasins Anwesen ist eingezeichnet.“ Kopfüber driftete er hinüber zum Atlasgebirge. „Diese Linie ist die Grenze zur verbotenen Zone. Hier befinden sich die schwarzen Berge.“
    Sando tippte auf eine Stelle im Gebirgsmassiv. „An diesem Berg dürfte der Einstieg in den Hades liegen.“
    „Er ist aber nicht eingezeichnet – und die unterirdischen Gänge des Hades auch nicht“, stellte Jannis enttäuscht fest.
    „Das werden wir auf keiner Karte finden“, sagte Sando und faltete das großflächige Papier sorgfältig wieder zusammen.
    „Steck das Ding ein, wenn du morgen zum Hades fährst!“, zirpte Jannis.
    „Wozu das?“
    „Ich nehme an, du kommst dort unten an die Pläne der Zellentrakte heran.“
    „Ja, das ist kein Problem. Ich habe einen Computer, in dem der Grundriss des Hades gespeichert ist.“
    „Auch die verlängerten Strecken?“
    „Auch die. Aber was soll ich damit?“
    „Zeichne die Hadesgänge auf dieser Karte ein. Dann stoßen wir vielleicht auf den Grund, warum Jamal al Din so großzügig war, die Verlängerung

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