Katharsia (German Edition)
leise durch die Zähne. „Na, so ein Zufall!“
„Ja, merkwürdig ist das schon“, sagte Gregor. „Es hat den Anschein, als habe Jamal al Din die Verlängerung des Tunnels finanziert, damit er bis zu seinem Vergnügungspark reicht.“
„Aber was hat er davon?“, brummte Nabil.
„Was er davon hat? Eine einmalige Attraktion: einen Vergnügungspark mit Einstieg in die Hölle“, witzelte Sando.
„Das ist doch Unsinn!“, röhrte Nabil. „Der Tunnel liegt wer weiß wie tief unter der Erde. Wie soll der saubere Herr Unternehmer dorthin vordringen?“
Gregor bemerkte trocken: „Mit einer gigantischen Explosion.“ Es herrschte atemlose Stille. Langsam dämmerte ihnen die Tragweite ihrer Entdeckung.
„Das hieße, der Krater … also die Explosion auf der Baustelle … war kein Anschlag, sondern geschah im Auftrag des Bauherren!“, brummte Nabil. „Mit anderen Worten: Jamal al Din, der Seelenretter, und die Terroristen, die sich ,Krieger des wahren Paradieses‘ nennen, stecken unter einer Decke!“
„Und Wolfenhagen, der Kreuzfahrer“, ergänzte Sando – und indem er dies sagte, wurde ihm bewusst, wie abenteuerlich diese Konstellation war: Ein Bündnis von Islamisten und Kreuzfahrern, wie war das möglich? Ihn, Sando, hatten islamistische Gotteskrieger sterben lassen, weil sie in ihm einen verhassten Kreuzritter sahen. Aber hier, in Katharsia, machten sie gemeinsame Sache! Warum?
Auch seine Gefährten wussten keine Antwort auf diese Frage. Dicht an dicht standen sie in der engen Kammer und starrten fassungslos auf die Karte.
„Sie sind dabei, sich einen Zugang zum Hades zu verschaffen“, konstatierte Gregor. „Außerhalb der verbotenen Zone.“
Nabil knurrte hämisch: „Was sagte Doktor Fasin eben? Der Hades ist sicher? Auch Leute, die nicht aus dem Mittelalter stammen, können sich irren.“
„Was machen wir jetzt?“, fragte Sando ratlos.
„Haben wir von hier aus Kontakt nach draußen?“
„Nein, Verbindung zur Außenwelt kann nur Direktor Kamlan aufnehmen. Eine Sicherheitsmaßnahme“, sagte Sando bitter.
Sie hatten das Gefühl, die Wände der Kammer rückten zusammen. „Wir müssen hier schleunigst raus!“, schnaufte Nabil.
„Also, ich gehe jetzt zu Doktor Fasin. Er soll uns sofort nach Hause bringen“, sagte Sando entschlossen.
Doch Gregor hielt ihn zurück. Er war dagegen, jetzt überstürzt alles stehen und liegen zu lassen.
„Den Krater gibt es schon seit Wochen. Und nichts ist passiert. Also, keine Panik jetzt! Ehe wir hier verschwinden, sollten wir uns den Verlauf des zweiten verlängerten Traktes anschauen.“
Die Umsichtigkeit Gregors verfehlte ihre Wirkung nicht.
„So viel Zeit muss sein“, sagte Sando, bewaffnete sich mit Stift und Lineal und begann, den Verlauf des Traktes E zu konstruieren. Es war jener Gang, an dessen Ende sich Doktor Fasin mit den Arbeitern wegen der Länge des Tunnels gestritten hatte.
Als Sando nach wenigen Minuten den Endpunkt des Traktes auf der Karte markierte, glaubte er, seinen Augen nicht zu trauen.
„Na, was ist, Sando?“, fragte Nabil gespannt.
Doch keine Reaktion. Sando schien taub zu sein.
„Nun sag schon! Spann uns nicht auf die Folter!“, rief Gregor.
Endlich warf Sando mit einer müden Bewegung Lineal und Bleistift auf den Tisch und erklärte: „Trakt E endet genau unter dem Anwesen von Doktor Fasin.“
„Also doch!“, stieß Gregor hervor.
„Wie schamlos er lügen kann!“, brummte Nabil. „Beinahe hätte ich ihm geglaubt.“
Daraufhin meinte Gregor nachdenklich: „Wer weiß, vielleicht ist er doch gerissener als Wolfenhagen …“
Die Enttäuschung über das falsche Spiel des Doktors traf Sando tief. Stets hatte er ihn verteidigt, jeden Verdacht gegen ihn zurückgewiesen. Es war für ihn unvorstellbar gewesen, dass ein so zuvorkommender Gastgeber, der das Vertrauen des Präsidenten genoss, zu solcher Heimtücke fähig war.
Galgenhumor erfasste den Jungen.
„Vielleicht geht es ihm ja nur um einen kürzeren Arbeitsweg.“
Er lachte laut heraus über diesen Witz.
Nabil verzog jedoch keine Miene. „Aber wie soll denn der Doktor so tief in die Erde hineinkommen?“, knurrte er, sich an ein letztes Fünkchen Hoffnung klammernd. „Oder habt ihr schon einmal etwas von einem Krater auf seinem Anwesen gehört?“
Sando, noch immer in böser Kicherlaune, prustete heraus: „Er braucht keinen Krater. Er hat doch einen Brunnen!“
Und wieder wieherte er los.
„Was für ein Brunnen?“, fuhr ihn Nabil an.
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