Katharsia (German Edition)
Frau, die ihr gefolgt war: Djamila. Auch sie eine hinreißende Erscheinung, die in ihrem fließenden grünen Gewand die Blicke auf sich zog. Sie lächelte höflich und schien ein wenig abwesend. Welcher Behandlung mochte Doktor Fasin sie unterzogen haben?
Sando wandte sich um, sah Ben mit aufgerissenen Augen hinter dem Panzerglas. Er schien etwas zu rufen, doch durch die geschlossene Tür drang kein Laut.
Doktor Fasin trat vor sein Publikum.
„Meine Damen und Herren! Sie alle wissen, wozu wir uns versammelt haben. Ich will daher nicht viele Worte verlieren, denn es ist Zeit zu handeln! Genau genommen hat der Umsturz schon längst begonnen. Vor zwei Stunden ist im Hades ein kleiner Zeitzünder explodiert. Damit hat sich eine Zelle für Seelen geöffnet, die ich persönlich genau instruiert habe. Gegenwärtig sind sie dort unten unterwegs, befallen die Wachmannschaft und polen sie in meinem Sinne um. Wenn alles nach Plan läuft, sind die Bewacher der Hölle nun meine treuen Anhänger.“
Er lachte bei dieser Vorstellung.
„Dieser Vorgang, meine Damen und Herren, gehört zu Phase eins der Erneuerung Katharsias: dem Sturz des alten Systems! Meine Absicht ist es, Blutvergießen, wenn möglich, zu vermeiden. Das hängt im Wesentlichen vom Verhalten des Herrn Wanderer ab. Ich werde den Druck auf ihn kontinuierlich erhöhen, bis er aufgibt. Je eher er Einsicht zeigt, desto geringer die Opfer. Phase zwei betrifft die Sicherung der Macht. Hier gehe ich als Seelenspezialist völlig neue Wege. In vielen Zellen des Hades brennen Hunderttausende Seelen, die auf meine Vision von einem gelobten Land geprägt sind, auf ihren Einsatz. Es handelt sich um hoch disziplinierte Formationen, die heute nach Öffnung der Hölle ausschwärmen werden, um meine Gedanken wie eine Saat in die Köpfe der Menschen zu pflanzen. Ich denke, meine Damen und Herren, es wird nicht lange dauern, bis diese Saat aufgeht. Stellen Sie sich vor: Wir stehen vor einer Welt, in der alle den gleichen Zielen folgen! Das bedeutet: keinen Streit mehr, keinen Krieg. Der Einzelne tritt zurück, um dem Gemeinwohl zu dienen. Das Ergebnis wird unermesslicher Reichtum sein – das Paradies!“
Die kleine Zahl der Versammelten klatschte freundlich.
Doktor Fasin nahm den Beifall dankend entgegen.
„Einen Mann möchte ich noch erwähnen, ohne den ich die zahlreichen Seelenformationen nie hätte aufbauen können. Ein hervorragender Führungsoffizier, dem ich das Kommando über die ausschwärmenden Seelen übertragen habe. Er ist noch im Hades arretiert, wird aber im Laufe der Aktion zu uns stoßen. Es handelt sich um Gotthelf Graf von Wolfenhagen.“
Ein erstickter Aufschrei unterbrach die Rede des künftigen Präsidenten. Köpfe drehten sich, um nach dessen Urheber zu schauen. Schließlich blieben die Blicke an Djamila kleben. Sie hielt das Gesicht mit ihren Händen bedeckt und Maria, deren Nachbarin, kümmerte sich besorgt um sie. Doktor Fasin verzog keine Miene, wartete ab, bis wieder Ruhe eingekehrt war, und fuhr fort: „Eine letzte kurze Bemerkung: Die Retamin-Syntheseanlage des geschätzten Jamal al Din, die die Bevölkerung bis heute für die Bauruine eines Vergnügungsparks hält …“ Er schmunzelte amüsiert und erntete vereinzelte Lacher. „Also, besagte Anlage ist startbereit und der Key installiert.“
Also doch , dachte Sando mutlos. Es ist ihnen sogar geglückt, eine geheime Anlage zu bauen, vor aller Augen!
„Leider fehlt uns noch der Code, der den Key aktiviert. Wenn aber Professor Strondheim erst gefasst ist, werden wir auch dieses Problem lösen. Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.“
Ohne zu zögern schritt Doktor Fasin die Stufen empor, trat neben Sando an das Pult und kündigte an: „Zuerst, meine Damen und Herren, werde ich den Hades öffnen – ein noch nie dagewesener Vorgang in der Geschichte Katharsias!“
Und an die Techniker gewandt befahl er: „Den Grundriss!“
Auf dem Hauptmonitor erschien der Übersichtsplan der fünf Hadesgänge.
„Wie Sie sehen, reichen zwei Strahlen dieses höllischen Sterns“, er lauschte einen Moment dem Klang dieser Wendung nach, „weit über die Grenze der verbotenen Zone hinaus. Und wie es der Zufall will“, ein Lächeln umspielte seine Lippen, „endet der eine Strahl direkt unter dieser Festung und der andere unter der Retamin-Syntheseanlage meines Mitstreiters Jamal al Din.“
Über das anhebende überraschte Gemurmel hinweg rief er: „An diesen Enden sitzen zwei kleine
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