Katharsia (German Edition)
steckte ihn in eine Tasche seiner Ausrüstung, holte ein Foto heraus und hielt es Sando hin.
„Kennst du den Mann? Ist er dir schon mal begegnet?“
Sando erkannte den Wissenschaftler, der an dem künstlichen Retamin geforscht hatte und nun auf mysteriöse Weise verschwunden war.
„Ich kenne ihn nur aus den Nachrichten. Professor Strondheim, wenn ich es mir richtig gemerkt habe. Sie haben ihn noch nicht gefunden?“
„Würde ich sonst fragen?“ Der KORE-Mann machte Sando ein Zeichen, vorauszugehen. „So, dann wollen wir mal!“
Gemeinsam erstiegen sie wieder den Hügel. Oben stand Denise neben der Leiche, bleich, während die Nummer neunzehn dabei war, die Spuren zu untersuchen, die Sandos Sturz verursacht hatte.
„Sie wollen uns seinen Tod anlasten!“, sagte Denise empört, als Sando herankam.
„Tja, meine Teuerste, die Spuren sind eindeutig! Einer von Ihnen muss es gewesen sein“, entgegnete der Gepanzerte, der Sando eben kontrolliert hatte. „Hier war niemand außer Ihnen beiden und dem Opfer. Das einzige, was zu klären bleibt, ist, wer von Ihnen die Tat begangen hat. Ich gehe, offen gesagt, davon aus, dass Sie gemeinschaftlich vorgegangen sind.“
„Das ist absurd! Warum sollten wir das tun?“
„Sie fragen nach dem Motiv? Es könnte Habgier sein. Der Mann galt als vermögend.“
„Das meinen Sie nicht im Ernst?!“
„Ach, das Motiv gefällt Ihnen nicht? Sie haben Recht, ein anderes erscheint mir auch viel wahrscheinlicher: Er wollte nicht mehr beteiligt sein an Ihren kriminellen Machenschaften. Er wollte aussteigen und da haben Sie ihn …“ Er zeigte auf den toten Stadlmeyr zu ihren Füßen und machte die Geste des Zustechens.
„Was reden Sie da? Sind Sie völlig wahnsinnig geworden? Was für kriminelle Machenschaften?“
„Na, das haben doch bereits die Spatzen von den Dächern gepfiffen, dass dieser tote Herr hier illegalen Geschäften nachgegangen ist. Kokons, Retamin – Sie wissen schon, was ich meine. Und er hatte Komplizen in der Behörde. Gerade unter Ihrer Verantwortung, mein Engelchen, sind etliche Seelen nicht dort angekommen, wo sie ankommen sollten. Wollen Sie das leugnen?“
„Aber ich selbst habe das doch angezeigt.“
„Davon ist uns nichts bekannt.“
Denise schluckte, rote Flecken im Gesicht. Sie war stumm vor Hilflosigkeit.
„Aber mein Chef kann das bezeugen! Er erwartet mich in diesem Moment zu einem Gespräch wegen dieser Anzeige.“
„Wirklich?“, fragte die Fünf spöttisch.
Er machte der Neunzehn ein Zeichen. Die sagte daraufhin in ihren Helm hinein: „Bitte verbinden Sie mich mit dem Chef der Einwanderungsbehörde. Ja, mit Herrn Machmud Hassan.“
Aus dem Helmlautsprecher des Kämpfers meldete sich eine männliche Stimme. Denise zuckte zusammen. Dann sprach sie mit dem Herrn am anderen Ende der Leitung. Sando verstand nichts. Nur Denises Tonfall ließ nichts Gutes ahnen.
Als das Gespräch zu Ende war, sagte sie leise zu Sando: „Mein Chef sagt, er wisse nichts von einer Anzeige.“
Wir sind verloren , dachte Sando. Sie stellen die Wahrheit auf den Kopf, wie es ihnen passt, und alles sieht danach aus, dass sie damit durchkommen werden. Und das in Katharsia!
Hatte nicht Denise eben noch geschwärmt, die Opfer hätten das Sagen? Und Sando hatte geglaubt, in einen Hort der Gerechtigkeit gekommen zu sein. Und nun dies! Ungeheuerliche Anschuldigungen!
„Von welcher Behörde kommen Sie eigentlich? Sie sind doch nicht von der Gefahrenabwehr?! Kann ich mal Ihre Ausweise sehen?“, forderte Denise mit dem Mut der Verzweiflung.
„Aber nicht doch, Engelchen …“ Der Kämpfer mit der Fünf setzte ein breites Grinsen auf. „Wir als geheime Ermittler werden doch nicht unsere Namen preisgeben. Beschweren Sie sich bei unserer Einheit.“ Er deutete auf seine Brust. „Steht ja groß drauf: KORE!“
„Was geschieht jetzt mit uns?“
„Wir nehmen Sie jetzt mit! Ihr Fall wird vor einem Sondergericht verhandelt. Und glauben Sie bloß nicht, dass Sie mit Milde rechnen können.“ Und an Denise gewandt ergänzte er: „Das Verwerflichste an Ihrer Tat ist, dass Sie diesen Jungen, einen naiven Neuankömmling, mit hineingezogen haben!“
Als Sando den Helikopter der Spezialeinheit „KORE“ bestieg, zitterte er vor Wut. Die Ohnmacht, die er angesichts dieser absurden Anschuldigungen empfand, zerrte in seinen Eingeweiden. Ihm war speiübel. Er spürte in seinem Magen, dass der Helikopter abhob. Während er mit dem Brechreiz kämpfte, kreiselte in seinem
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