Katharsia (German Edition)
sie sich hätten retten können. Beschämt blickte Gregor zu Boden. Und als sich Wolfenhagen nun Ben vornahm, schnürte es ihm das Herz ab. Aus seinem rot-gelben Wams hatte der Dämon den Seldschukendolch gezogen. Lässig drehte er ihn zwischen den Fingern, als er sagte: „Warum hast du den Monitor zertrümmert, mein Lieber? Hast du nichts dazugelernt seit damals? Einem Grafen von Wolfenhagen bietet man nicht ungestraft die Stirn.“
Ben schwieg und Wolfenhagen setzte ihm den Dolch an die Kehle.
„Nein!“, schrie Gregor.
Sandos Impuls, Ben zur Hilfe zu eilen, wurde durch ein laut gerufenes „Halt! Keine Bewegung!“ im Keim erstickt. Der Torso mit dem Revolver zielte auf ihn. Seine schwarzen Augen musterten ihn stechend.
Jussuf! Erst jetzt erkannte ihn Sando wieder. Kalten Blickes schaute ihn der entstellte Gotteskrieger an, als wollte er wie damals sagen: Für Ungläubige hat Gott nur die Hölle! Und hatte er nicht Recht behalten? Katharsia war die Hölle. Er, Sando, hatte es nicht anders erlebt.
„Nein!“, hörte er Gregor erneut schreien.
Unter der Klinge des Dolches an Bens Hals erschien Blut.
„Was schreist du so, Musikant?“, fragte Wolfenhagen höhnisch. „Warst du es nicht, der ihn verraten hat? Damals in Jerusalem?“ Selbst er hat es nicht vergessen , dachte Sando und sah, wie Gregor zitterte.
„Spiel!“, hörte Sando den Dämon sagen. „Spiel wie damals! Ein Totenlied für deine Freunde!“
Gregor schluchzte, während Wolfenhagen lachte: „Hab dich nicht so! Es ist doch nicht das erste Mal. Spiel endlich!“
Ein Schuss aus dem Lasergewehr, der Gregors Sauger zu einer formlosen Masse zerschmolz, verlieh dieser Aufforderung Nachdruck.
„Mach schon!“, krächzte der Torso mit dem Gewehr, stolz über seinen Treffer.
Wolfenhagen grinste seinen Kämpfer zufrieden an und drückte Ben den Dolch noch fester an den Hals. Das Blut lief ihm bereits in kleinen Rinnsalen den Körper hinab.
„Nein“, heulte Gregor. Unter Wolfenhagens spöttischem Blick holte er die Flöte hervor und setzte sie an seinen tränennassen Mund.
„Na also, du Feigling!“, sagte der Dämon, ohne zu ahnen, dass er mit dieser Bemerkung das Fass zum Überlaufen brachte.
Plötzlich war Gregor bei ihm. Niemand hatte damit gerechnet, dass dieser verschüchterte, kleine Kerl die Flöte als Schlagwaffe einsetzen würde. Blind vor Wut, vor Scham und Schmerz drosch Gregor auf den überraschten Kreuzfahrer ein. Aus Platzwunden an der Stirn, auf den Wangen, an den Lippen spritzte es rot. Die Torsos wagten nicht zu schießen. Zu dicht war der schmächtige Angreifer seinem Opfer auf die Pelle gerückt.
„Du kleine Ratte!“, brüllte Wolfenhagen. Er stieß Ben von sich, dass er rückwärts taumelte und stürzte. Blind vom Blut, das ihm über die Augen lief, griff der Graf zu und bekam Gregor zu fassen. Mit kalter Wut stieß er ihm den Dolch in den Leib. Gregor sackte zusammen und blieb reglos zu Füßen Wolfenhagens liegen.
Nun war es Sando, der nicht mehr an sich halten konnte. Ohne den kleinsten Gedanken an die Folgen seines Handelns zu verschwenden, griff er sich das Erste, was ihm unter die Finger kam, einen Speer, und ging damit auf den Dämon los. Von der anderen Seite kam Ben, ein Schwert in der Faust. Taub für die krachenden Pistolenschüsse, das grell aufblitzende Laserfeuer, gingen sie gemeinsam vor. Die Krüppel hatten sie unter Beschuss genommen. In der Hektik trafen sie nicht sofort, doch die Einschläge kamen näher. Revolver, Laser, Revolver, Laser. Wolfenhagen wischte sich das Blut von den Augen, streckte den Dolch vor, unsicher, wen er zuerst abwehren sollte. Revolver, Laser. Sando setzte zum Wurf an, Ben holte zum Schlag aus. Einer musste es schaffen, dem Dämon den Garaus zu machen! Revolver, Las…
Der Lärm des Beschusses brach plötzlich ab. Aus den Augenwinkeln sah Sando, wie die Torsos zur Seite kippten.
Was ist los , fragte er sich verwundert, während er den Speer auf die Reise schickte.
War es die kleine Ablenkung? War es seine Unerfahrenheit im Umgang mit der mittelalterlichen Waffe? Er verfehlte Wolfenhagen. Der taumelte erschrocken zurück, wodurch auch der Schwerthieb Bens um Haaresbreite danebenging. Doch er setzte nach. Mit dem Zorn eines Jahrtausends hob er das Schwert ein weiteres Mal.
„Lass ihn, Ben!“, rief plötzlich eine markante Stimme. „Den Gnadenstreich hat er nicht verdient.“
Das Schwert verharrte in der Luft. Dann ließ Ben es sinken. Die Stimme gehörte Achmed.
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