Katharsia (German Edition)
nach Maria suchen sollte, regte sich Gregor plötzlich. Rasselnd sog er Luft in seine Lungen.
Sando erschrak, denn er hatte ihn für tot gehalten. Auch Ben und Achmed waren überrascht und wandten sich dem Schwerverletzten zu.
„Was machst du denn für Sachen, Gregor?!“, sprach Ben ihn an. Sando hockte sich nieder. Gregor atmete schwer. Das Hemd an seinem Bauch war zerfetzt und nass vom Blut.
„Was ist … mit … Wolfenhagen?“, stammelte er mühsam.
Achmed, bleich unter der verschmierten Schicht aus Wüstenstaub, antwortete: „Keine Sorge! Wir haben ihn, Gregor!“
„Ganz … si…cher?“
„Ganz sicher. Du kannst dich darauf verlassen.“
Ben fasste impulsiv nach Gregors Hand. „Wir haben ihn besiegt, Gregor! Wir alle – du und ich, Achmed und Sando, Djamila und Maria. Wir haben ihn zur Strecke gebracht! Endlich! Wie lange habe ich diesen Augenblick herbeigesehnt! Jetzt ist mir so leicht zumute, dass ich mich fast dafür schäme. Ist das nicht verrückt, Gregor? Ich hocke hier inmitten eines Schlachtfeldes, vor mir der schwerverletzte Freund, und mein Herz hüpft vor Freude?“
Gregor öffnete langsam den Mund. Man sah ihm an, dass er noch etwas sagen wollte, aber seine Kräfte schwanden zusehends.
Ben schaute Achmed an.
„Gleich ist ein Arzt hier“, beantwortete er die Frage, die Ben nicht gestellt hatte.
„Bin … ich …“, sagte Gregor. Seine Lippen bewegten sich lautlos weiter.
„Was bist du?“
Ben beugte sich über den Verletzten, versuchte, ihm die Worte vom Munde abzulesen.
„Was hast du gesagt? Fei…? Ich kann dich nicht verstehen, Gregor!“
Er legte das Ohr an dessen Lippen, lauschte angestrengt.
„Fei… ach … Feigling?! Du willst wissen, ob du ein Feigling bist?“
Ben streichelte gerührt Gregors Hände.
„Nein, Gregor, du bist kein Feigling. Im Gegenteil, du bist einer der mutigsten Menschen, die ich kenne. Du hast mir das Leben gerettet! Ich danke dir!“
Gregors Augen glänzten und Ben setzte hinzu: „Ich wusste gar nicht, dass eine Flöte zur Waffe taugt.“
Gregor verzog den Mund zu einem Lächeln. Mit abgrundtiefen Augen sah er Ben und Achmed lange an, bis sein Blick erstarrte.
Sando sah seine Seele. Leicht, beinahe beschwingt stieg sie auf.
„Gregor!“, rief er.
Der Gerufene kam herbei und zirpte mit strahlendem Gesicht: „Ich bin kein Feigling!“
„Nein, das bist du nicht“, sagte Sando lächelnd, während die Seele einen kleinen Tanz aufführte.
Unvermittelt wurde Gregors Miene ernst.
„Versprich mir, dass du dich um Nabil kümmerst, Sando. Seine Seele ist gefangen in einem der Sauger. Sie sollen ihn nicht aus Versehen in den Hades stecken.“
„In Ordnung, ich werde daran denken.“
„Danke, Sando!“
Die Seele flog davon, rief noch einmal: „Ich bin kein Feigling!“, dann verschwand sie aus Sandos Blickfeld.
„Gregor?“, rief der Junge ihm nach.
Achmed betrachtete ihn interessiert.
„Hast du mit seiner Seele gesprochen, Auvisor?“
„Ja, Herr General. Was geschieht denn eigentlich mit den Seelen in den Saugern?“
„Warum fragst du?“
„In einem steckt unser Freund Nabil. Gregor hat mich gebeten, dafür zu sorgen, dass er nicht im Hades landet.“
Achmed legte beruhigend seine Hand auf Sandos Schulter. „Keine Angst, Junge! Meine Männer werden sorgfältig die Spreu vom Weizen trennen. Sie werden die Seele Nabils schon ausfindig machen.“
Dankbar schaute Sando den General an, der Gregor, seinem Freund aus alten Tagen, nun bekümmert über das fahle Totengesicht strich. Dem hartgesottenen Strategen hatte der Junge eine solche Weichheit gar nicht zugetraut.
„Seine Seele wirkte sehr fröhlich“, sagte er.
Achmed sandte ihm einen forschenden Blick.
„Tatsächlich? Oder willst du mich nur trösten?“
Sando schüttelte den Kopf.
„Gregor ist stolz auf den Mut, den er bewiesen hat.“
„Zu Recht!“, warf Ben ein und schaute sich suchend nach dem verhafteten Wolfenhagen um. Er fand ihn unweit, umringt von den Elitekämpfern, die ihn überwältigt hatten und ihn nun mit Argusaugen bewachten, offenbar unschlüssig, was mit ihm geschehen sollte.
„Sieh mal, Achmed, wie der Graf zugerichtet ist. Das ist Gregors Werk. Er hat ihn mit seiner Flöte angegriffen.“
„Mit der Flöte?“ Assadi lachte lauthals auf.
Einer der Kämpfer nutzte die Aufmerksamkeit, die ihnen der General entgegenbrachte. „Was soll mit ihm geschehen, Herr General?“
Achmed winkte den Trupp mit dem Verhafteten heran. Ohne sich die
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