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Katharsia (German Edition)

Katharsia (German Edition)

Titel: Katharsia (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Magister
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rollten Tränen über ihr Gesicht.
    Unbeholfen nahm Sando ihre Hand. „Weißt du, Denise, es gibt eine Sache, die ich nicht verstehe: Warum ist die Echse plötzlich zusammengebrochen? Der kleine Helikopter kann sie doch nicht getötet haben.“
    Ins Taschentuch schniefend erklärte Denise, als wäre dies das Selbstverständlichste auf der Welt: „Sie war Stadlmeyrs Traumwesen. Mit seinem Tod starb auch sie.“
    Diese Nachricht musste Sando erst einmal verdauen. Traf das etwa auf alle Traumgeborenen in Katharsia zu? Hing ihr Leben von dem ihres Schöpfers ab?
    „Denise“, begann er vorsichtig, „du bist doch auch … wie soll ich sagen … gewünscht …“
    „Ja“, sagte sie. „Und wenn mein Vater stirbt, dann …“
    Sie sprach nicht zu Ende, sondern nickte nur.
    Eine seltsame Welt, in die ich geraten bin , dachte Sando.
    Draußen tauchten erste Häuser auf. Ein Vorort von Makala. Denise stoppte das Fahrzeug. „So, jetzt sollten wir zu Fuß weitergehen. Wir müssen in die Stadt. Dort kenne ich einen zuverlässigen Freund.“
    Schweigend stiegen sie aus. Sando nahm seine Tasche vom Rücksitz.
    Denise versuchte vergeblich, außerhalb des Mobils stehend, mit ihren kurzen Armen die Taste des Autopiloten zu erreichen. „Hilf mir bitte, Sando!“, rief sie. „Das Mobil muss zurück zum Tatort. Wird es hier gefunden, kommen sie uns auf die Schliche.“
    Sando, der die Umsichtigkeit des kleinen Engels bewunderte, drückte den Knopf und sagte laut und deutlich: „Planquadrat B17.“
    Dann warf er die Tür zu und das Fahrzeug rauschte davon.

BEN HAKIM
    Dort vorn ist es!“ Denise zeigte auf ein unauffälliges einstöckiges Haus in einer unscheinbaren Häuserzeile. Dessen Fassade mochte einmal weiß gewesen sein, doch mit den Jahren hatte sie ein schmutziges Grau angenommen. Die grüne Farbe an den geschlossenen Fensterläden und an der grob gezimmerten Eingangstür blätterte ebenfalls bereits ab. Es gab also nichts, was dieses Haus von den benachbarten unterschied, sah man ab von dem rostigen Drachenkopf, der als Türklopfer diente, aber wenig dazu einlud, ihn zu betätigen.
    Unbeeindruckt von diesen Äußerlichkeiten trat Denise an die Tür und machte sich lautstark bemerkbar. Stundenlang waren sie unterwegs gewesen, um hierher zu kommen, in diese kleine Seitenstraße im Zentrum von Makala. Sie hatten die Hauptstraßen, wenn möglich, gemieden. Nun ging die Sonne bereits unter und sie waren glücklich, obgleich mit schmerzenden Füßen, hier angelangt.
    Hinter der Tür schlurften Schritte heran. Schlüssel klapperten. Nach mehreren Versuchen schien einer zu passen. Es rasselte im Schloss und endlich bewegte sich langsam die Tür, bis sie einen Spalt breit offen stand. Misstrauisch lugte jemand hindurch, doch es dauerte keine Sekunde, da flog die Tür auf und ein Greis mit schlohweißem, langem Haar lag Denise in den Armen.
    In ihrer Freude bemerkten sie nicht den Mann, der reglos in seinem Auto saß, hörten sie nicht das Klicken seiner Kamera.
    „Denise, dass du mich besuchst!“ Die Stimme des Alten war brüchig, seine Hände zitterten, doch seine Augen betrachteten den kleinen Engel mit einer Lebendigkeit, dass Sando das Alter des Mannes nicht zu schätzen vermochte.
    „Ich weiß, es wurde Zeit, Ben“, sagte Denise, „doch ich muss gestehen, ich bin gekommen, weil ich … weil wir deine Hilfe brauchen.“
    Sie löste sich aus seinen Händen und zog Sando heran.
    „Das ist Sando Wendelin, ein Neuankömmling. Er hat Schlimmes durchgemacht.“
    Denise schluckte, kämpfte bereits wieder mit den Tränen.
    Der Alte strich ihr gerührt übers Haar und sie sagte stockend zu Sando: „Also, Sando … das ist Ben Hakim … ein Freund.“
    Sando nickte dem Alten etwas scheu zu. Der reichte ihm die Hand.
    „Nun kommt erst mal herein, ihr beiden.“
    Sie betraten einen dunklen Flur. Die rustikalen Fliesen am Boden waren schon recht abgewetzt. An der grob geputzten Wand hing ein Spiegel mit schmiedeeisernem Rahmen. Darunter stand auf gebogenen Eisenfüßen ein schmaler Tisch, an dem ein hölzerner Gehstock lehnte. Der Hausherr nahm ihn im Vorbeigehen und wies auf die Tür am Ende des Ganges. „Geradeaus bitte, zum Innenhof.“
    Der durch eine Mauer abgeschirmte Hof erwies sich als eine kleine Oase mit grünen Sträuchern und drei Palmen, zwischen denen ein nesselfarbenes Sonnensegel gespannt war. Darunter standen fünf gemütliche Korbsessel und ein Tisch aus massivem Eichenholz, dem man ansah, dass hier schon

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