Katharsia (German Edition)
Pause entstand.
Denise blickte Sando fragend an. „Hat er etwas gesagt?“
„Na ja, er sagt, es tue ihm furchtbar leid, was geschehen ist.“
„So? Es tut ihm leid?“ Sie wandte sich in die Richtung, in der sie die Seele vermutete. „Das reicht nicht, Ben! Wir brauchen eine Lösung!“
Kurz darauf übersetzte Sando: „Ben meint, wir müssten eine Tasche auftreiben, die mit Kokon ausgekleidet ist. In so einem Ding könnten ihn die Ortungsgeräte nicht erfassen.“
Denise verdrehte die Augen. „Wie soll das gehen? Das ist doch illegal!“
Sando wies mit der Hand ins Leere. „Er sagt, eine andere Möglichkeit fällt ihm nicht ein.“
„Na, wenn es weiter nichts ist …“, stichelte Denise. „Der brave Ben kennt sicher auch den einschlägigen Schwarzhändler? Ich habe jedenfalls keinen Kontakt zu solchen Leuten.“
Sando musste unwillkürlich lachen.
„Schön, dass es dir wieder besser geht, Sando, aber was ist daran so lustig?“, fragte Denise leicht angesäuert.
„Dass du keinen Kontakt zum Schwarzmarkt hast, klingt wenig glaubhaft aus dem Munde der Komplizin von Franz Stadlmeyr.“
„Siehst du, das ist die Ironie des Schicksals“, entgegnete Denise seufzend. „Hätte ich getan, was man mir vorwirft, dann wüsste ich jetzt Rat. Aber im Ernst, was machen wir denn jetzt?“
„Ben sagt, wir sollen ihm folgen, er kennt einen, der einen Schwarzhändler kennt, gleich hier auf dem Basar.“
„Ach, sieh mal an, was unser unbescholtener Freund so für Umgang pflegt!“, frotzelte Denise. „Aber ob wir noch jemanden antreffen? Die meisten Stände sind schon geschlossen.“
Eile war also geboten.
Die Sonne hatte sich längst verabschiedet. Erste blasse Sterne zeigten sich zaghaft am Himmel. Denise folgte Sando mit flatternden Flügeln über den nahezu entvölkerten Basar, vorbei an den Skeletten leer geräumter Stände, an Händlern, die ihre Waren auf Karren oder kleinen Lieferwagen verstauten. Hier und da beobachtete Sando noch ein letztes Feilschen, ein letztes Geschäft. Plötzlich sah er Ben aufgeregt winken. Dieser schwebte über einem in die Jahre gekommenen Vehikel mit drei Rädern, das sich vorsichtig seinen Weg durch die Marktstände bahnte. Aufgeregt zirpte er: „Du musst die Karre aufhalten, Sando!“
„Und was soll ich denen sagen?“
„Das erklär ich dir später. Nun mach schon!“
Sando drängte sich an die Seite der Karre, stolperte über eine gepackte Kiste, was ihm das laute Schimpfen eines Händlers am Wegrand einbrachte, und bekam in letzter Sekunde, bevor er hinschlagen konnte, die Klinke der Fahrertür zu fassen. Die Tür flog auf, während er an dem Griff hing und ein Stück mitgeschleift wurde. Der Wagen stoppte. Ein bärtiger Hüne stieg aus und baute sich drohend vor Sando auf. „Ich hoffe, du hast eine gute Erklärung für diese Aktion, Junge!“
Sando hielt Ausschau nach Ben, konnte ihn aber nicht entdecken. Der Hüne verstand Sandos suchenden Blick falsch und hielt ihn am Arm fest. „Versuch es erst gar nicht.“
Sando stammelte: „Ich bin gestolpert. Es war keine Absicht.“
Denise kam angeflattert. „Um Himmels willen, Sando, was musst du dich denn an diesem Wagen vorbeidrängeln?!“
„Das frage ich mich auch. Gehören Sie zu dem Jungen? Ich hatte den Eindruck, er ist gezielt auf uns losgegangen.“
„Das kann ich mir nicht vorstellen“, entgegnete Denise. „Was sollte er denn von Ihnen wollen?“
Inzwischen geisterte Ben heran. Sando zischte: „Na, du machst mir Spaß! Jetzt sitze ich in der Klemme!“
Der Bärtige fuhr herum.
„Was hast du gesagt? Hast du mit mir gesprochen?“
Sando schaute hilflos drein. Endlich aber raunte ihm Ben ins Ohr: „Sag, du möchtest den Jungen im Fahrerhaus sprechen, er ist dein Freund.“
„Also, was ist?“ Der Hüne wurde ungeduldig.
„Ähm … könnte ich den Jungen im Fahrerhaus sprechen? Er ist mein Freund.“
„So?“ Der Bärtige war misstrauisch. „Wie heißt er denn, dein Freund?“
„Gregor“, zirpte es an seinem Ohr.
„Gregor“, wiederholte Sando mechanisch und dann wurde ihm siedend heiß. Gregor? Jener Gregor mit der Flöte?
Er hörte den Hünen rufen: „He, Gregor, komm mal raus! Kennst du diesen Jungen?“
Sando schaute gespannt auf die Fahrertür. Ein orientalisch gekleideter Junge wie aus Tausendundeiner Nacht erschien: roter Turban, grüne Weste mit goldenen Stickereien und gelbe Pluderhosen. Es war der Schlangenbeschwörer. Er kletterte aus dem Vehikel und sah Sando
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