Katharsia (German Edition)
unverwandt an, ein sensibles Gesicht, die schwarzen Augen von unfassbarer Tiefe.
„Ich kenne dich nicht“, sagte er mit zarter Stimme. „Was willst du von mir?“
Für Sando gab es keinen Zweifel: Vor ihm stand Gregor aus Jerusalem, Bens einstiger Freund!
Sein Herz klopfte schneller. Nun brauchte er niemanden mehr, der ihm Anweisungen ins Ohr flüsterte. Er wusste, was zu sagen war, und genoss es, sich auf Arabisch verständigen zu können.
„Mein Name ist Sando Wendelin und ich soll dich von Ben Hakim grüßen, er braucht deine Hilfe.“
Gregor zuckte zusammen, als er den Namen Ben Hakim hörte. „Ben hat sich nie mit mir treffen wollen. Seit ich in Katharsia bin, hat er jedes Gespräch verweigert. Und jetzt kommst du und behauptest …“
„Ihr habt euch nie gesehen?“, fragte Sando überrascht.
„Nein, ich glaube, er hasst mich seit damals. Aber das geht dich nichts an“, entgegnete Gregor barsch und die Tiefe in seinen Augen wurde zum schwarzen Abgrund.
Der bärtige Riese trat zwischen sie. „Ben Hakim ist tot. Sprich nicht mit ihm, Gregor! Es ist eine Falle!“
Sando sah den Mann erschrocken an. „Eine Falle? Werdet ihr von irgendjemandem bedroht?“
„Das werde ich dir doch nicht auf die Nase binden, Junge“, knurrte der Hüne unwirsch und zog Gregor zum Auto.
„Wir sind Bens Freunde und wissen, dass er tot ist“, sagte Sando, verzweifelt bemüht, die beiden aufzuhalten. „Es geht um seine Seele, Gregor, sie ist noch frei. Hast du die KORE-Engel heute über dem Basar kreisen sehen? Sie sind hinter Bens Seele her.“
Gregor, schon an der Autotür, drehte sich um. „Und du weißt, wo seine Seele ist?“
„Ja, sie schwebt über dir.“
Gregor reagierte abweisend: „Lass das, ich mag solche Scherze nicht.“
Sando überlegte kurz, ob er sich als Auvisor zu erkennen geben sollte, entschloss sich aber, es anders zu versuchen. „Es ist mir ernst, Gregor. Ben braucht ein wenig Kokonmaterial, um sich vor den Ortungsgeräten der Engel verbergen zu können. Er meint, du könntest uns weiterhelfen.“
„Na, du machst mir Spaß! Selbst wenn ich es könnte, woher weiß ich denn, dass du nicht mit seinen Mördern unter einer Decke steckst?“
Sando war ratlos. Das Gespräch befand sich in einer Sackgasse und er wusste nicht, wie er Gregor von der Lauterkeit seiner Absichten überzeugen sollte. Auch Denise zuckte ratlos mit den Schultern. „Na dann … Das war’s wohl“, sagte Gregor und machte Anstalten, wieder in den Wagen zu steigen.
„Warte, Gregor! Gib mir noch eine Chance!“, rief Sando rasch. Ihm war eine Idee gekommen. „Ob du es glaubst oder nicht, Bens Seele ist hier“ sagte er, „und du wirst sie spüren!“
Er warf Ben, der stumm über Gregor schwebte, einen auffordernden Blick zu.
Ben zögerte jedoch, fühlte sich offenbar überrumpelt und zirpte: „Nein, so geht das nicht, Sando. Diese Seelenüberlagerungen sind eine heikle Sache. Schlimm genug, dass ich es in der Not bei dir getan habe, und ich hoffe, du wirst es schadlos überstehen. Aber jetzt, einfach so, ohne zwingenden Grund?“
Ben blieb, wo er war.
Gregor war mit skeptischer Miene an der Wagentür stehen geblieben und da nichts passierte, zuckte er mit den Schultern und stieg ein.
„Danke für deine großzügige Hilfe, Ben“, sagte Sando mutlos und wandte sich zum Gehen.
Denise hatte von der Unterhaltung nur Sandos Teil mitbekommen. „Was ist los? Wo willst du denn hin?“, wollte sie jetzt wissen.
„Ben denkt nicht daran, Gregor einen kleinen Besuch abzustatten und ihm zu sagen, dass er uns vertrauen kann. Er weigert sich, weil er Spätfolgen für Gregor befürchtet.“
„Genau genommen hat er Recht.“
„Und was jetzt? Was, wenn wieder Engel auftauchen? Muss ich dann wieder als Notversteck herhalten?“
Denise sah ihn ratlos an und Sando winkte ab.
„Vergiss es!“
Er trabte niedergeschlagen davon.
Gregor, der das Gespräch mitbekommen hatte, rief unvermittelt: „Warte!“
Sando blieb stehen und wandte sich ihm hoffnungsvoll zu. Gregor sah ihn mit seinen tiefschwarzen Augen an.
„Entweder habt ihr das Ganze sehr gut einstudiert oder ihr seid wirklich mit Ben im Bunde. Für die erste Variante spricht, dass du so getan hast, als könntest du mit seiner Seele reden. Das war ein wenig dick aufgetragen. Wie kommt es, dass mir mein Gefühl dennoch sagt, dass ihr es ehrlich meint?“
„Es gibt eine einfache Erklärung“, sagte Sando, „aber du wirst sie nicht glauben, weil
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