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Katharsia (German Edition)

Katharsia (German Edition)

Titel: Katharsia (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Magister
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war ihm anzusehen, um welchen Punkt seine Gedanken kreisten.
    „Es wird nicht leicht, deine Freundin dort herauszuholen, Sando. Du musst Geduld haben.“
    Sando blickte finster drein, sagte aber nichts.
    „Ich denke, wir sollten uns nun zur Ruhe begeben“, schlug der Reporter vor. „Morgen sehen wir weiter.“
    Er wies seinen Gästen die Schlafplätze zu, teils Betten, teils Matratzen auf dem Boden, und zog sich zurück.
    Denise nahm Sando zur Seite. „Würdest du Ben bitte mit zu dir nehmen? Er ist immerhin ein Mann …“
    Sie hielt ihm die Kunstledertasche hin.
    Sando betrachtete widerwillig die aufgestickte Sonnenblume mit Spitzensaum. „Na gut, weil du es bist.“
    Mit spitzen Fingern griff er nach der Tasche und verabschiedete sich.
    Im Zimmer, das Sando mit Gregor und Nabil teilte, legte er die Tasche auf den Boden neben seine Matratze. Ben lugte daraus hervor und fragte: „Hat Massef eigentlich mitbekommen, dass er eine freie Seele beherbergt?“
    „Ich glaube nicht“, antwortete Sando. „Du hast dich die ganze Zeit nicht gerührt.“
    Er war schon fast eingeschlafen, als Ben noch zirpte: „Wir sollten es ihm morgen sagen. Es ist eine Frage der Fairness.“
    Das Frühstück war ein karges Junggesellenmahl. Massefs Küche gab nicht mehr her als ein paar Scheiben Toast, Honig und Kaffee. Aber es reichte völlig, denn ihr Appetit bekam einen kräftigen Dämpfer, als Massef die Morgenzeitung aufschlug.
    „Hören Sie mal, was sie hier schreiben!“, rief er. „Es sieht gar nicht gut aus.“
    Und er begann vorzulesen:
    Schwerer Rückschlag für die Retaminforschung
    Wie das Institut für Retaminforschung Dresden erst jetzt mitteilt, habe die Entwicklung künstlichen Retamins durch das mysteriöse Verschwinden von Professor Strondheim einen schweren Rückschlag erlitten. Kurz vor dem Abschluss der Arbeiten zur Synthese dieses lebenswichtigen Stoffes seien Dateien von unersetzbarem Wert auf den Speichermedien des Institutes spurlos verschwunden. Offenbar habe sich der Institutsleiter mit den Unterlagen abgesetzt. Über die Motive seiner Tat bestehe Unklarheit. Ohne diese Daten, so die Einschätzung der Wissenschaftler, könne sich die erste Retaminproduktion um Jahre, wenn nicht gar um Jahrzehnte verzögern.
    Die Regierung in New York reagierte mit einem sofortigen Stopp der Retaminzuteilung an die Seelen verstorbener Bürger Katharsias. Weiterhin gelten private Retaminreserven als beschlagnahmt. Sie sind in Monatsfrist an die zuständigen Stellen abzuliefern.
    Gregor sagte nachdenklich: „Das KORE ist sicher nicht unglücklich über das Verschwinden Professor Strondheims. Je knapper das Retamin, desto größer die Gefahr von Unruhen, die das Eingreifen einer schlagkräftigen Truppe erfordern.“
    Die Nachricht bedrückte sie, denn mit der wachsenden Macht des KORE wurde ihre Lage immer aussichtloser. Sie saßen da mit rauchenden Köpfen und überlegten, was zu tun sei. Massef thronte auf dem massigen Chefsessel hinter dem Schreibtisch. Die anderen hatten sich auf verschiedene Sitzgelegenheiten verteilt. Ben zirpte Sando ins Ohr, er solle dem Reporter nun endlich reinen Wein einschenken.
    „Ähm … Herr Massef …“, rang sich Sando schließlich durch. „Die Seele von Ben Hakim … wir haben sie mitgebracht …“
    Zögernd legte er die blaue Kunstledertasche auf den Schreibtisch.
    „Sie ist hier drin. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen …“
    Massef starrte mit Befremden auf den Gegenstand, der so gar nicht zu seinem hypermodernen Schreibtisch passte, und reagierte dann mit Spott.
    „Ja, ja, natürlich, darin ist seine Seele.“
    Er blickte in die Runde und musste feststellen, dass seine Gäste ernsthaft nickten.
    Verunsichert fragte er: „Wollen Sie mich auf den Arm nehmen? Woher wollen Sie wissen, dass die Tasche seine Seele enthält? Haben Sie etwa ein Ortungsgerät?“
    „Ortungsgeräte können nicht mit Seelen reden, sie zeigen nur einen leuchtenden Punkt“, erklärte Sando verächtlich.
    „Was willst du damit sagen?“
    „Er ist ein Auvisor“, teilte Denise knapp mit.
    Massef schüttelte den Kopf.
    „Wissen Sie, was Sie da sagen? Ein Auvisor?! Katharsia hat seit Jahrzehnten keinen Auvisor mehr gesehen.“
    „Es ist aber so!“, beharrte Denise.
    „Und was machen wir dann hier? Sollte er sein, was Sie behaupten, muss er eine Verfolgung nicht fürchten. Er kann hier herausmarschieren, sich zu erkennen geben und die Behörden würden ihm jeden Wunsch von den Augen ablesen – auch

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