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Katharsia (German Edition)

Katharsia (German Edition)

Titel: Katharsia (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Magister
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Visier.“
    Beunruhigt sah Sando zur Einfahrt des Anwesens hinüber. Dann spang er rasch in den Straßengraben und lief gebückt zu einem Strauch, der ausreichend Deckung bot.
    „Und jetzt?“, fragte er ratlos.
    „Ich werde die Lage erkunden. Vielleicht gibt es einen Weg an den Wachen vorbei. Warte hier solange!“
    Ben flog los und kehrte kurze Zeit später zurück.
    „Die Mauer um das Grundstück ist überall mit Kameras gesichert, aber an einer Stelle, denke ich, kommst du ungesehen durch.“
    Ben schwebte los, hinein in das dichte Grün. Sando folgte ihm mit einigen Mühen. Zweige schlugen ihm ins Gesicht, Wurzeln bildeten Stolperfallen. Er bemerkte, dass parallel zur Mauer ein breiter Weg entlangführte. Doch Ben mied ihn, blieb in der Deckung der Bäume. Endlich, an einer Stelle, wo die Mauer einen Bogen beschrieb, stoppte er und sagte: „Hier müsste es gehen. Die Kameras erfassen nicht den gesamten Bogen.“
    Sando nahm Anlauf und sprang, wollte mit den Händen die Mauerkrone erreichen und sich dann hochziehen. Doch es gelang ihm nicht. Er stürzte ab und fiel auf den Rücken.
    „Du musst versuchen, sie langsam zu erklettern, Sando! Tritt für Tritt!“, zirpte Ben. Er schwebte heran und zeigte ihm, welche Vorsprünge und Ritzen geeignet waren, ihm Halt zu geben.
    Als Sando schließlich oben saß, sah er durch die Bäume einer gepflegten Parkanlage eine strahlend weiße Villa. Dorthin also!
    „Wir dürfen nicht auf direktem Wege hin. Halte dich hinter mir!“, sagte Ben. Er schlug einen weiten Bogen durch den Park.
    Plötzlich machte er jedoch kehrt und schwebte erregt auf Sando zu. „Hinter den Baum! Schnell!“
    Sando fragte nicht lange und machte einen Satz hinter den Baum, der ihm am nächsten stand.
    Ben schaute unverwandt in die Richtung, die sie eben eingeschlagen hatten.
    „Rühr dich nicht! Gleich können wir weiter.“
    „Was ist denn los?“, raunte Sando.
    „Dort vorn steht ein Vogelhaus.“
    „Na und?“ Sando neigte den Kopf vorsichtig zur Seite, um einen Blick zu riskieren.
    „Bleib in Deckung!“, herrschte Ben ihn an.
    „Was ist denn mit dem Vogelhaus?“
    „Darin kreiselt eine Kamera.“
    Sando schnaufte erleichtert. Ohne Ben wäre er längst entdeckt worden.
    „So, sie hat sich weggedreht. Wir sollten jetzt rasch vorbei an dem Ding.“
    Er flog los und Sando hatte Mühe, sein Tempo mitzuhalten.
    Nach etlichen Bögen und Richtungswechseln stand er endlich vor der Freitreppe der Villa. Sie führte hinauf zu einer Terrasse.
    „Wir haben Glück“, zirpte Ben, der die Lage bereits aus der Vogelperspektive sondiert hatte. „Maria nimmt gerade ein Sonnenbad.“
    Sando fühlte eine seltsame Schwäche in den Knien, als er vorsichtig die Stufen hinaufstieg. Zuerst erschien ihr blondes Haar in seinem Blickfeld. Dann sah er sie ganz. Entspannt lag sie da, unnahbar schön. Sando verharrte, spürte, wie das Blut in seinen Ohren pulste. Und als sie endlich zu ihm aufblickte, fuhren seine Gefühle Achterbahn.
    „Bist du nicht der Junge vom Basar?“, fragte sie erstaunt. Ihre weiche Stimme wurde untermalt vom leisen Klimpern der Metallstäbchen an ihrem Ohrgehänge.
    „Ja“, sagte Sando mit trockener Kehle und trat näher. Seine leise Hoffnung, dass sie ihn als Sando Wendelin erkennen würde, hatte sich nicht erfüllt.
    „Dein Besuch ist mir gar nicht angekündigt worden.“ Sie sah ihn forschend mit ihren himmelblauen Augen an.
    „Nein“, sagte Sando und schluckte. Sein Kopf war wie leergefegt. Er begriff nur eins: Er stand vor Maria und sie sprach mit ihm. Dass sie das Gespräch auf Arabisch führten, war ihm nicht bewusst.
    „Merkwürdig …“, wunderte sich Maria. „Besuche werden sonst immer angekündigt.“
    Langsam kamen Sandos Hirnzellen wieder in Gang und suchten nach einer plausiblen Erklärung für sein unerwartetes Erscheinen.
    „Ich bin eben nur ein Junge vom Basar …“
    Es war freilich ein schwaches Argument, aber Maria gab sich damit zufrieden. „Und was führt dich zu mir?“
    Ich will, dass du mich endlich erkennst und mit mir kommst , hätte er am liebsten gesagt, doch er wusste, damit würde er alles verderben. „Sie sehen aus wie jemand, den ich sehr gut kenne.“
    Maria lächelte ihn spöttisch an. „Wenn du nicht noch ein halbes Kind wärst, würde ich darauf antworten: Das ist aber eine plumpe Art, mit einer Frau anzubändeln. “
    Sie räkelte sich auf ihrem Liegestuhl und fragte: „Aber deshalb bist du doch nicht gekommen, oder?“
    „Nein.

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