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Katharsia (German Edition)

Katharsia (German Edition)

Titel: Katharsia (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Magister
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Wissen Sie, meine gute Bekannte, die Ihnen zum Verwechseln ähnlich sieht, ist verschwunden.“
    Sando nestelte an seinem Hemd und holte das Medaillon hervor. „Nur diese Madonna habe ich noch von ihr.“
    Maria starrte auf das Bild, als wollte sie einen Erinnerungsfetzen erhaschen. Es war wie ein Fünkchen in ihren Augen und Sando hoffte inständig, er würde nicht wieder verlöschen. Er versuchte, nachzulegen, dem Fünkchen Nahrung zu geben, und sagte: „Als Geiselnehmer unseren Bus stürmten, vermummte Männer mit Waffen, hat sie mir den Schmuck gegeben.“
    Maria lauschte dem Klang dieser Worte nach.
    „Geiselnehmer …“, sagte sie leise, als wollte sie die Resonanz spüren, die dieses Wort in ihr auslöste.
    Doch plötzlich war es vorbei.
    „Das tut mir leid für dich, mein Junge“, sagte sie. „Kann ich etwas für dich tun?“
    Sando winkte enttäuscht ab: „Wissen Sie … es war nur so eine Idee … Ich hatte gehofft … Maria in Ihnen wiederzufinden.“
    Nun war es heraus.
    Maria stutzte und sagte: „Du meinst … Maria … ich?“
    Sie lachte herzhaft. Ihr Lachen war so authentisch, dass es Sando einen Stich versetzte. Nie und nimmer würde er sie dazu bringen, wieder Maria zu sein!
    Doch bald schon mischte sich ein falscher Klang in ihr Gelächter. Maria bemerkte es selbst und es schien sie zu verunsichern, denn sie verstummte unvermittelt und lauschte verwirrt in sich hinein.
    „Maria“, sagte sie tonlos und schüttelte den Kopf. „Callista, ich heiße Callista.“
    Es klang, als wollte sie sich selbst davon überzeugen, dass dieser Name zu ihr gehörte.
    „Spielen Sie Klavier?“, fragte Sando.
    „Klavier …“
    Es war erneut ein Wort, das etwas in ihr anzurühren schien. Doch gleich darauf gewann sie wieder eine eigenartige innere Festigkeit. „Klavier? Nein. Ich wünschte, ich könnte es. Im Haus steht ein Flügel.“
    „Könnte ich ihn einmal sehen?“
    „Kannst du etwa spielen?“
    „Ein wenig.“
    „Na, dann komm!“
    Sie federte sportlich aus dem Liegestuhl und schritt voraus.
    „Wie heißt du eigentlich?“
    „Sando. Sando Wendelin“, sagte er in ihren Rücken hinein.
    Der Rhythmus ihres Ganges stockte ein wenig. Doch schnell fing sie sich wieder und betrat raschen Schrittes einen geräumigen Salon.
    Der Flügel war abgedeckt und vollgestellt mit einer bunten Blumenpracht.
    Maria griff nach einem Glöckchen, dessen Geläut eine schwarz gekleidete ältere Frau herbeirief.
    „Dira, sei so gut und räum den Flügel frei. Der junge Herr möchte etwas spielen“, sagte sie.
    Daraufhin begann die Dienerin, Topf um Topf beiseite zu stellen. Sie arbeitete flink und huschte bald wieder hinaus.
    Diese Frau , dachte Sando. Woher kennst du diese Frau?
    Nun erging es ihm so wie Maria. Er versuchte vergeblich, Erinnerungsfetzen zu erhaschen.
    Maria war inzwischen an den Flügel getreten. Bedächtig öffnete sie die Klappe und starrte auf die Tastatur, als ginge von ihr eine seltsame Faszination aus. Sie hob ihre Hand, ließ den Zeigefinger über einer Taste schweben, doch sie schlug sie nicht an.
    Mit einem plötzlichen Impuls trat sie schließlich vom Flügel zurück, bemerkte Sando neben sich und sagte, als erwache sie aus einem Traum: „Ach, richtig … du wolltest mir etwas vorspielen, San…“ Sie brach ab und biss sich auf die Lippen.
    „Sando Wendelin“, ergänzte er befangen und setzte sich am Flügel zurecht.
    Er hörte Maria schwer atmen.
    „Spiel nicht!“, zirpte es plötzlich an seinem Ohr. Ben, der sich bisher im Hintergrund gehalten hatte, mischte sich ein. „Die Musik könnte die Wachen herbeirufen!“
    Sando nahm die Hände wieder herunter, legte sie unschlüssig auf seine Knie.
    „Warum spielst du nicht … Sando?“
    Das war Maria, die seinen Namen mit spürbarer Mühe hervorgebracht hatte. Er schaute zu ihr auf. Der Funken in ihren Augen war wieder da.
    „Ich werde spielen“, sagte er leise.
    „Bist du wahnsinnig?“, zirpte Ben. „Das tust du nicht!“
    Doch gegen Marias erwartungsvollen Blick, gegen den Funken, der inzwischen zu einer kleinen Flamme geworden war, konnte er nichts ausrichten. Sando spielte. Chopin. Mit steifen Fingern. Schmerz und Trauer, Wut und Sehnsucht trieben ihn. Kraftvoll bäumte sich der Flügel unter seinen Händen auf, um kurz darauf in eine stille Klage zu verfallen, die nur das Vorspiel war für ein zorniges Aufbegehren: Ja, du musst dich wehren , spielte Sando. Du musst um dein Leben kämpfen – und um das Marias. Der Flügel

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