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Kathedrale

Kathedrale

Titel: Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Mangels
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anderen Messe, der er je beigewohnt oder die er zuvor durchgeführt hatte.
    Aber Capril wusste, dass sie nicht seinetwegen gekommen waren. Morgen würde die Zeremonie stattfinden. Morgen würde Bajor offiziell der Föderation beitreten. Das allein war der Grund für diesen Ansturm.
    Capril hatte seine Predigt gründlich vorbereitet. Er sprach von Einigkeit und Gemeinschaftsgefühl, von dem Frieden und dem Verständnis, die das Volk Bajors benötigten, um in der Familie Universum willkommen geheißen zu werden.
    »Metaphorisch gesprochen steht Bajor an einer Schlucht«, sagte er. »Aber das muss die Gläubigen nicht schrecken. Nein, wir sollten uns dort umschauen und die schönen Gefilde und unzähligen Schätze begreifen, die jenseits des Abgrunds auf uns warten. Der Wille der Propheten hat uns an diesen historischen Moment geführt – einer Zeit, in der Bajor zahlreiche Freunde und Verbündete hat. Wir müssen – wir werden – die glorreiche Zukunft, die uns die Propheten bereitet haben, mit offenen Armen empfangen.«
    Capril hatte seine Ansprache gerade beendet, als ihm eine Bewegung innerhalb der Menge auffiel. Die Gläubigen rüsteten sich zum Aufbruch, doch ein junger Mann von vielleicht Mitte zwanzig trat sicheren Schrittes auf Caprils Kanzel zu. Einen Herzschlag später drehte er sich um und sah die Menge an.
    Noch bevor Capril auch nur verstand, was geschah, hatte der Mann seinen Ohrring abgenommen und ließ ihn zu Boden fallen. »Für Kira Nerys«, rief er dabei. Dann schloss er die Augen, als betete oder meditierte er.
    Capril war so überrascht wie seine Abendgemeinde. Überall sah er staunende, stumme Gesichter. Doch bevor er sich an den Mann wenden konnte, stand eine zweite Person, eine Frau mittleren Alters, auf und trat ebenfalls zur Kanzel. Auch sie drehte sich um, legte schweigend ihren Ohrschmuck ab und sagte so laut, dass man sie noch im hintersten Winkel des Tempels hören musste: »Für Kira Nerys.« Dann verstummte sie, nur um von einer dritten Person, einer jungen Frau, ersetzt zu werden, die prompt aufstand und das Verhalten ihrer zwei Vorgänger eins zu eins wiederholte.
    Ohalavaru , dachte Capril. Obwohl er allmählich zornig wurde, wusste er, dass diese Leute weitaus mehr Aufruhr erzeugt hätten, wenn sie mit ihrer kleinen Demonstration nicht bis zum Ende der Messe gewartet hätten. Das änderte allerdings nichts daran, dass ihr Verhalten innerhalb eines bajoranischen Tempels völlig inakzeptabel war.
    »Für Kira Nerys.« Wieder stand ein Bajoraner auf, zog den Ohrring ab und trat zu der wachsenden Gruppe der Ohalavaru. Dann ein weiterer. Und noch einer. »Für Kira Nerys.« Es wurden immer mehr.
    Unmutsbekundungen hallten in der Kammer wider. Capril sah auf die vielleicht sechzig Gläubigen vor sich und begriff, dass er mit seinem Zorn nicht allein war.
    »Für Kira Nerys.« Diesmal war es eine junge Frau, dem Aussehen nach kaum der Schule entwachsen. Ihr Gewand waren hell und mit den Symbolen verschiedenster bajoranischer Religionen verziert. Wie die anderen blieb auch sie still vor der Kanzel stehen – ebenso passiv wie entschlossen.
    Capril warf einigen der anderen Vedeks einen verzweifelten Blick zu und bemerkte dankbar, wie Vedek Sinchante einem der Ranjens im hinteren Bereich des Raumes etwas zumurmelte. Dieser eilte schnell aus dem Tempel. Ich hoffe, sie ruft nach dem Sicherheitsdienst. Um Fassung bemüht, hob er die Arme, als könnte er die Störung seines Tempels mit bloßen Händen von sich schieben. Doch der Zorn verging nicht.
    Drei weitere Ohalavaru schlossen sich ihren Gefährten an. Nun waren es schon ein Dutzend. »Für Kira Nerys.« Capril sah, dass eine von ihnen, eine blasse dunkelhaarige Frau, ein grauhäutiges Kleinkind im Arm hielt, einen Halbcardassianer. Sie kam ihm irgendwie vertraut vor.
    Bevor er etwas sagen konnte, hallte die Stimme der Mutter über die Köpfe der Versammelten hinweg. »Wir sind die Ohalavaru, und wir handeln zu Ehren der Wahrheitsspenderin Kira Nerys.« Auch sie entfernte ihren Ohrring und warf ihn zu Boden.
    Ein Bajoraner, dessen Gesichtsausdruck seine Verachtung für die Ohalavaru nicht verbarg, stand auf und schubste eine der Frauen vor Caprils Kanzel in Richtung Tür. Die Anhängerin Ohalus stolperte, fing sich aber wieder und weigerte sich verbissen, ihren Platz aufzugeben. Inzwischen meldeten sich immer mehr wütende Gläubige lautstark zu Wort und forderten die Ohalavaru auf, den Tempel zu verlassen. Eine Handvoll von ihnen bekannte

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