Katherine Neville - Das Montglane-Spiel
Reaktion zu zeigen, aber ihr Herz pochte so laut, daß sie glaubte, ihre neuen Freunde würden es schlagen hören.
„Madame de Roque ist nach St-Cyr, also in die unmittelbare Nähe von Paris gekommen“, fuhr Elisa fort, „um herauszufinden, wer versuchte, den Schatz zu stehlen. Sie sagte, um ihn zu schützen, habe sie den Schatz von den Nonnen aus dem Kloster bringen lassen.“
„Und was für ein Schatz ist das?“ fragte Mireille mit heiserer Stimme. „Hat die Äbtissin es Ihnen gesagt?“
„Nein“, antwortete Napoleon für seine Schwester und sah Mireille durchdringend an. „Aber Sie kennen die vielen Legenden, die um die Klöster in den baskischen Bergen kreisen. Und es geht dabei immer um etwas Heiliges, das dort verborgen sein soll. Chrêtien de Troyes spricht davon, daß sich der Heilige Gral in Monsalvat befindet - auch das ist in den Pyrenäen -“
„Mademoiselle“, unterbrach ihn Elisa, „deshalb wollte ich mit Ihnen sprechen. Als Sie uns sagten, Sie kommen aus Montglane, dachte ich, daß Sie vielleicht Genaueres wissen.“
„Wie lautet die Nachricht der Äbtissin an Ihre Mutter?“
„Am letzten Tag ihres Aufenthalts in St-Cyr", antwortete Elisa und beugte sich über den Tisch, so daß der Kerzenschein ihr Gesicht umgab, „rief mich die Äbtissin zu sich. Sie sagte: 'Elisa, ich vertraue dir eine geheime Mission an, denn ich weiß, du bist das achte Kind von Carlo Buonaparte und Letizia Ramolino. Vier deiner Geschwister sind früh gestorben. Du bist das erste Mädchen, das überlebt hat. Und deshalb hast du für mich eine ganz besondere Bedeutung. Du trägst den Namen der großen Herrscherin Elissa, die einige 'die Rote' nannten. Sie hat eine große Stadt gegründet und ihr den Namen Q'ar gegeben. Diese Stadt gewann später Weltruhm. Du mußt zu deiner Mutter reisen und ihr berichten, daß die Äbtissin von Montglane sagt: ‘Elissa, die Rote ist wiederauferstanden - die Acht kehrt zurück.' Das ist meine Nachricht, Letizia Ramolino wird wissen, was sie bedeutet. Und sie wird wissen, was sie tun muß!“
Elisa schwieg und sah Mireille erwartungsvoll an. Auch Napoleon wartete gespannt auf ihre Reaktion, aber Mireille verstand die Nachricht nicht. Was für ein Geheimnis mochte es sein, das die Äbtissin der Mutter dieser Geschwister in Zusammenhang mit den legendären Schachfiguren übermittelte? Ihr dämmerte etwas, aber sie konnte es nicht richtig fassen.
„Wer war diese Elissa von Q'ar?“ fragte sie verwirrt. „Ich kenne weder den Namen noch die Stadt, die sie gegründet hat.“
„Aber ich“, erwiderte Napoleon und lehnte sich zurück. Er zog ein offensichtlich viel gelesenes Buch aus der Tasche. „Unsere Mutter sagte immer: „Lest euren Plutarch, lest euren Livius“„, erklärte er lächelnd. „Ich habe es nicht dabei belassen, sondern auch Virgil gelesen und die geheimnisvolle Elissa in der Äneis gefunden - die Römer und Griechen nannten sie allerdings Dido. Sie kam aus Tyros, dem alten Phönizien, mußte aber fliehen, als ihr Bruder, der König von Tyros, ihren Mann ermordete. Sie landete an der Küste Nordafrikas und gründete die Stadt Q'ar, die sie nach dem Namen der Göttin Kar nannte, die sie beschützt hatte. Wir kennen diese Stadt als Karthago.“
„Karthago!“ rief Mireille. Ihre Gedanken überschlugen sich, denn plötzlich begriff sie den Zusammenhang. Karthago, das jetzt Tunis hieß, lag nur etwa achthundert Kilometer von Algier entfernt! Und Tripolis, Tunis, Algerien und Marokko hatten fünftausend Jahre unter der Herrschaft der Berber gestanden, der Vorfahren der Mauren. Es konnte kein Zufall sein, daß die Nachricht der Äbtissin so direkt auf das Land verwies, in das sie reisen wollte.
„Ich sehe, daß Sie etwas damit anfangen können“, unterbrach Napoleon ihre Gedanken, „vielleicht sagen Sie es uns.“
Mireille biß sich auf die Lippen und starrte in die Flamme. Die Geschwister vertrauten ihr, aber sie hatte ihnen bis jetzt nichts verraten. Wenn sie das Spiel gewinnen wollte, brauchte Sie jedoch Verbündete. Was konnte es schon schaden, wenn sie den beiden einiges von dem erzählte, was sie wußte?
„Es hat einen Schatz in Montglane gegeben“, sagte Mireille schließlich. „Ich weiß es, weil ich geholfen habe, ihn auszugraben.“ Die Geschwister warfen sich einen Blick zu und sahen dann wieder Mireille an.
„Dieser Schatz besitzt einen unermeßlichen Wert, aber mit ihm verbindet sich auch eine große Gefahr“, fuhr sie fort. „Vor etwa tausend Jahren
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