Katherine Neville - Das Montglane-Spiel
um Mireilles Arm. „Die Äbtissin von Montglane!“ Sie warf ihrem Bruder einen Blick zu, der die Tasche auf die Erde stellte und Mireille musterte, als er sagte:
„Sie kommen also aus Montglane - vom Kloster?“ Als Mireille nickte, blickte er sich vorsichtig um und fügte hinzu: „Unsere Mutter kennt die Äbtissin von Montglane - sie sind seit langem eng befreundet. Madame de Roque riet meiner Mutter vor acht Jahren, MariaAnna auf die Klosterschule von St-Cyr zu schicken.“
„Ja“, flüsterte das Mädchen, „und ich kenne die Äbtissin ebenfalls gut. Vor zwei Jahren hat sie St-Cyr besucht und sich mehrmals vertraulich mit mir unterhalten. Aber eine Frage ... gehören Sie, Mademoiselle, zu denen, die bis zuletzt... im Kloster von Montglane waren? Wenn es so ist, dann werden Sie meine Frage verstehen...“ Sie sah wieder ihren Bruder an.
Mireille spürte das Klopfen ihres Herzens in den Ohren. War es nur Zufall, daß sie die beiden getroffen hatte, die ihre Äbtissin kannten? Durfte sie zu hoffen wagen, daß sie in das Geheimnis eingeweiht waren? Nein, diese Schlußfolgerung war zu gefährlich. Aber das Mädchen schien Mireilles Befürchtungen zu spüren.
„Ich sehe Ihnen an“, sagte Maria-Anna, „daß Sie es vorziehen, über diese Dinge nicht hier im Freien zu sprechen. Sie haben natürlich recht. Aber ein ausführliches Gespräch könnte für uns alle von Nutzen sein. Verstehen Sie, Ihre Äbtissin hat mich vor ihrer Abreise mit einer besonderen Mission betraut. Vielleicht wissen Sie, was ich damit meine. Ich schlage vor. Sie begleiten uns zu dem Gasthaus in der Nähe. Dort hat uns mein Bruder für die Nacht Unterkunft besorgt, und wir können ungestört miteinander reden...“
Das Blut klopfte Mireille noch immer heftig in den Schläfen, und tausend Gedanken durchzuckten sie. Selbst wenn sie diesen Fremden vertraute und mit ihnen ging, war sie immer noch in Paris gefangen. Und Marat ließ inzwischen vielleicht jeden Winkel nach ihr durchsuchen. Andererseits war nicht sicher, daß es ihr gelingen würde, ohne Hilfe aus Paris zu entkommen. Und wohin sollte sie sich wenden, wenn das Kloster geschlossen war?
„Meine Schwester hat recht“, sagte der Soldat, der Mireille nicht aus den Augen ließ. „Hier können wir nicht bleiben, Mademoiselle, ich biete Ihnen unseren Schutz an.“
Mireille staunte erneut, wie ungewöhnlich hübsch der junge Mann mit den langen Haaren und den großen, traurigen Augen aussah. Er war schlank und nur wenig größer als sie, aber er vermittelte den Eindruck von Kraft und Sicherheit; sie beschloß, ihm zu Vertrauen.
„Also gut“, erwiderte sie lächelnd, „ich komme mit Ihnen in das Gasthaus. Dort werden wir miteinander sprechen.“
Bei diesen Worten strahlte das Mädchen und drückte ihrem Bruder den Arm. Die beiden sahen sich liebevoll an. Der Soldat nahm die Tasche wieder auf die Schulter und führte das Pferd am Zügel, während seine Schwester ihren Arm unter Mireilles Arm schob.
„Sie werden es nicht bedauern, Mademoiselle“, sagte das Mädchen. „Erlauben Sie mir, daß ich mich vorstelle. Ich heiße Maria-Anna, aber meine Familie nennt mich Elisa, und das ist mein Bruder Napoleon - aus der Familie Buonaparte.“
Im Gasthaus saßen die drei jungen Leute in ihrem Zimmer auf harten Holzstühlen um einen ungehobelten Tisch. Auf dem Tisch brannte nur eine Kerze. Ein trockenes schwarzes Brot und ein Krug Bier war alles, was sie zum Abendessen hatten.
„Wir kommen aus Korsika“, erzählte Napoleon, „es ist eine Insel, die sich dem Joch der Tyrannei nicht ohne weiteres beugt. Livius hat vor beinahe zweitausend Jahren gesagt, wir Korsen seien so schroff wie unser Land und so unzähmbar wie wilde Tiere. Vor noch nicht vierzig Jahren verjagte unser Führer Pasquale di Paoli die Genuesen von der Insel und befreite Korsika. Er ließ von Jean-Jacques Rousseau eine Verfassung ausarbeiten. Die Freiheit währte jedoch nicht lange, denn 1768 kaufte Frankreich die Insel von Genua und landete im folgenden Frühjahr mit einem Heer von dreißigtausend Mann. Der Sitz der Freiheit versank in einem Meer von Blut. Ich erzähle Ihnen das, denn diese Geschichte - und die Rolle, die unsere Familie darin spielt - brachte uns in Kontakt mit der Äbtissin von Montglane.“
Mireille hatte sich schon über den historischen Exkurs gewundert, aber jetzt hörte sie aufmerksam zu. Sie brach ein Stück Brot ab und kaute es schweigend.
„Unsere Eltern kämpften an der Seite von Paoli, um die
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