Katherine Neville - Das Montglane-Spiel
in Paris verbracht hat? Wußte Napoleon, wem das wertvolle Pferd gehörte, das sie geritten hatte, als sie ihm und seiner Schwester begegnet war? Wenn ja, dann ahnten sie vermutlich auch, wem Mireille die goldenen und silbernen Schachfiguren anvertraut hatte, ehe sie Frankreich verließ. Talleyrands Gesicht war eine gleichgültige Maske, als David fortfuhr: „Robespierre erzählte
mir, was alles gespielt wurde, um die Figuren in die Hand zu bekommen. Hinter allem stand eine Frau, sagte er, die weiße Dame, seine und Marats Gönnerin. Sie hat die Nonnen getötet, die in Caen und in Paris Hilfe suchten, und hat ihre Figuren. Nur Gott weiß, wie viele es sind oder ob Mireille die Gefahr kennt, die ihr von dieser Seite droht. Aber Sie, meine Herren, müßten es jetzt wissen. Diese Dame lebte nämlich während der Schreckensherrschaft in London, und Robespierre nannte sie ‘die Dame aus Indien’.“
MITTELMEER Juli 1973
Es überraschte mich sehr, daß Solarin ein Enkel von Minnie Renselaas war. Aber ich hatte keine Zeit, die Verwandtschaft anzuzweifeln, während wir mit Lily in der Dunkelheit die Fischerstiege hinuntereilten. Über dem Meer unter uns lag ein seltsam rötlicher Dunst, und als ich einen Blick zurückwarf, sah ich im gespenstischen Mondschein die dunkelroten Finger des Schirokko, die sich zwischen den Einschnitten der Berge nach uns ausstreckten, als wollten sie uns an der Flucht hindern. Der Sturm wirbelte tonnenweise Sand durch die Luft.
Wir liefen zum Yachthafen am anderen Ende des Hafens. Ich konnte kaum die dunklen Umrisse der Yachten erkennen, die im wirbelnden Sand schaukelten. Lily und ich taumelten blindlings hinter Solarin an Bord. Wir stiegen sofort unter Deck, um Carioca und die Schachfiguren in einer Kabine in Sicherheit zu bringen und um dem Sand zu entfliehen, der in Mund und Nase drang und wie Nadelstiche auf der Haut brannte. Ich sah noch, wie Solarin die Ankertaue löste, als ich die Tür zu den Kabinen hinter mir schloß und Lily die Treppe nach unten folgte.
Der Motor begann zu tuckern, und das Boot setzte sich in Bewegung. Ich tastete im Dunkeln herum, bis ich einen lampenartigen Gegenstand spürte, der nach Petroleum roch. Ich zündete die Lampe an, und wir sahen uns in der kleinen, aber eleganten Kabine um. Sie war mit dunklem Holz getäfelt und mit einem dicken Teppich ausgelegt. In der Mitte standen Ledersessel und an der Wand ein doppelstöckiges Bett. Eine geknüpfte Hängematte mit einer Menge aufblasbarer Schwimmwesten schaukelte in der Ecke. Auf der anderen Seite befand sich eine kleine Kochnische mit Herd und Spülbecken. Aber als ich die Schranke untersuchte, fand ich nichts Eßbares - nur eine gut ausgestattete Bar. Ich öffnete eine Flasche Cognac, nahm zwei fleckige Wassergläser und schenkte uns ein.
„Ich hoffe, Solarin weiß, wie man dieses Ding segelt“, sagte Lily und nahm einen großen Schluck.
„Mach keine Witze“, entgegnete ich und spürte nach dem Cognac, der mir sofort in den Kopf stieg, daß ich nichts im Magen hatte. „Segelschiffe haben keine Motoren. Hörst du nicht das Tuckern?“
„Na ja, wenn es eine Motoryacht ist", erwiderte Lily, „warum hat es dann so viele Masten? Sind die nur zur Zierde da?“ Jetzt fiel mir ein, daß ich auch Masten gesehen hatte. Aber wir konnten uns bei diesem Sturm doch unmöglich mit einem Segelboot auf das offene Meer hinauswagen! Ich beschloß, mich vorsichtshalber einmal umzusehen. Ich kletterte die schmale Treppe hinauf, die zu dem kleinen, mit bequemen Sitzbänken ausgestatteten Cockpit führte. Wir ließen gerade den Hafen und die rote Sandwolke hinter uns, die sich auf Algier herabsenkte. Im kalten Mondlicht betrachtete ich das Schiff genauer, das uns retten sollte.
Es war größer, als ich geglaubt hatte. Das Deck sah aus, als sei es aus poliertem Teakholz. Die Reling bestand aus glänzendem Messing. Das Cockpit, in dem ich stand, war offenbar mit allem ausgestattet, was gut und teuer ist. Aber ich sah nicht einen, sondern zwei Masten als dunkle Silhouetten. Solarin hatte eine Hand am Steuerrad, mit der anderen zog er meterweise zusammengerollte Leinwand aus einer Luke.
„Ein Segelboot?“ fragte ich und sah ihm zu. „Eine Ketsch“, murmelte er und zerrte an der Leinwand, „etwas Besseres konnte ich in der kurzen Zeit nicht „organisieren“. Aber es ist ein gutes Boot - dreizehn Meter lang und mit Rah.“
„Wunderbar! Ein gestohlenes Segelboot“, sagte ich laut. „Weder
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