Katherine Neville - Das Montglane-Spiel
Hahnrei gemacht hast!“
„Ich habe alle meine Geliebten eingeladen“, erwiderte Talleyrand lachend, „auch dich, meine Liebe. Aber wenn es um dieses Thema geht, würde ich an deiner Stelle nicht mit Steinen werfen...“
„Ich habe keine Einladung erhalten“, sagte Germaine und überging seine Anspielung.
„Natürlich nicht“, entgegnete er, und seine leuchtend blauen Augen richteten sich unschuldig auf sie. „Weshalb eine Einladung an meine beste Freundin verschwenden? Wie kannst du annehmen, daß ich ein Fest von dieser Größe - fünfhundert Gaste - ohne deine Hilfe plane? Ich erwarte dich schon seit Tagen!“
Germaine sah ihn einen Augenblick unsicher an. „Aber die Vorbereitungen sind doch schon im Gange“, sagte sie.
„Ein paar tausend Bäume und Büsche“, erwiderte Talleyrand verächtlich, „das ist nichts im Vergleich zu dem, was mir vorschwebt.“ Er nahm ihren Arm und ging mit ihr an den Glastüren entlang. Er deutete auf den Hof und sagte:
„Was hältst du davon - seidene Zelte mit Bannern und Wimpeln am Rasen entlang und im Hof. Zwischen den Zelten salutierende Soldaten in französischer Uniform...“ Er ging zur Tür des Arbeitszimmers zurück, vor der sich eine Marmorgalerie um die hohe Eingangshalle bis zur breiten Treppe aus italienischem Marmor zog. Arbeiter legten gerade einen dicken roten Läufer aus.
„Bei Ankunft der Gäste wird eine Militärkapelle spielen und durch die Galerie zur Treppe hinunter- und wieder herauf marschieren, während die ‘Marseillaise’ gesungen wird.“
„Hinreißend!“ rief Germaine und klatschte in die Hände. „Es dürfen nur rote, weiße und blaue Blumengebinde hier stehen - und Bänder in denselben Farben hängen über die Balustrade.. .“
„Was habe ich gesagt?“ Talleyrand lächelte und nahm sie in die Arme. „Was wäre ich ohne dich?“
Als besondere Überraschung hatte Talleyrand den Speisesaal so aufbauen lassen, daß es nur Stühle für die Damen gab. Jeder Herr stand hinter dem Stuhl einer Dame und reichte ihr die Delikatessen, die auf kunstvoll gestalteten Platten von den Dienern in Livree ständig herumgereicht wurden. Diese Geste schmeichelte den Damen und gab den Herren die Möglichkeit, sich ungezwungen zu unterhalten.
Napoleon war begeistert von der Nachbildung seines italienischen Militärlagers, die ihn vor dem Palais begrüßte. Wie Talleyrand ihm geraten hatte, kam er in einem schlichten Aufzug ohne Orden und stach damit die Spitzen der Regierung aus, die in kostbarer und prächtiger Galakleidung erschienen, die der Maler David entworfen hatte.
David befand sich am anderen Ende des Saals. Ihm war die Aufgabe zugefallen, eine blonde Schönheit zu bedienen, die Napoleon unbedingt kennenlernen wollte.
„Habe ich sie nicht schon einmal gesehen?“ fragte er Talleyrand leise und blickte lächelnd die lange, festliche Tafel hinunter.
„Vielleicht“, erwiderte Talleyrand kühl, „sie hat sich während der Schreckensherrschaft in London aufgehalten und ist erst jetzt wieder nach Frankreich zurückgekehrt. Sie heißt Catherine Grand.“
Als die Gäste sich nach dem Essen erhoben und in die Ballsäle und Salons gingen, führte Talleyrand die schöne Dame durch den Raum. Madame de Staël hatte bereits den General mit Beschlag belegt und stellte ihm alle möglichen Fragen.
„Sagen Sie, General Buonaparte“, fragte sie herausfordernd, „welche Art Frau bewundern Sie am meisten?“
„Die Frau, die die meisten Kinder zur Welt bringt“, erwiderte er knapp. Als er Catherine Grand am Arm von Talleyrand auf sie zukommen sah, lächelte er.
„Und wo haben Sie sich versteckt, schöne Dame?“ fragte er nach der förmlichen Vorstellung. „Sie sehen wie eine Französin aus, tragen aber einen englischen Namen. Sind Sie in England geboren?“
„ Je suis d'Inde“ , erwiderte Catherine Grand mit einem bezaubernden Lächeln. Germaine rang nach Luft, und Napoleon sah Talleyrand mit erhobenen Augenbrauen an. Denn ihre Antwort erhielt durch ihre Betonung eine Doppelbedeutung, nämlich: „Ich bin so dumm wie Stroh.“
„Madame Grand ist nicht ganz so dumm, wie sie uns einreden möchte“, sagte Talleyrand trocken und sah Germaine an, „meiner Meinung nach ist sie sogar eine der intelligentesten Frauen Europas.“
„Eine hübsche Frau ist vielleicht nicht immer klug“, stimmte ihm Napoleon zu, „aber eine kluge Frau ist immer hübsch.“
„Sie bringen mich in Gegenwart von Madame de Staël in Verlegenheit“, sagte Catherine Grand. „Es
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