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Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Titel: Katherine Neville - Das Montglane-Spiel
Autoren: Malaxis
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spät ist.“
Alexander half Mireille, ihren Umhang umzulegen, und wollte zur Tür, als er den kleinen Charlot an seiner Seite bemerkte.
„Al-Kalim hat Ihnen etwas zu sagen, Majestät“, erklärte Schahin mit einem Blick auf das Kind. Alexander lächelte den Kleinen an.
„Du wirst bald ein großer König sein“, sagte der kleine Charlot in seiner hellen Kinderstimme. Alexander lächelte noch immer, aber das Lächeln schwand bei seinen nächsten Worten. „Das Blut wird deine Hände weniger beflecken als die Hände deiner Großmutter, auch wenn eure Taten ähnlich sind. Ein Mann, den du bewunderst, wird dich verraten - ich sehe einen kalten Winter und ein großes Feuer. Du hast meiner Mutter geholfen. Deshalb wirst du vor den Händen dieses untreuen Menschen gerettet, und du wirst fünfundzwanzig Jahre herrschen. ..“
„Charlot, es ist genug“ schimpfte Mireille, nahm ihren Sohn bei der Hand und warf Schahin einen vorwurfsvollen Blick zu.
Alexander rührte sich nicht von der Stelle, er war wie erstarrt. „Das Kind besitzt das Zweite Gesicht!“ flüsterte er.
„Dann soll er es zu vernünftigen Dingen benutzen“, grollte Mireille, „und nicht herumgehen und wie eine alte Hexe den Leuten die Zukunft weissagen.“ Sie zog Charlot hinter sich her und eilte ins Freie. Der verwirrte Zarewitsch folgte ihr. Als er sich nach Schahin umdrehte und in dessen unergründliche schwarze Augen blickte, hörte er den kleinen Charlot zu seiner Mutter sagen:
„Tut mir leid, maman . Ich habe es vergessen. Ich verspreche dir, es nicht wieder zu tun.“
    Die Bastille war im Vergleich zu Ropscha ein Palast. Kalt und naß, ohne Fenster, um auch nur einen Lichtstrahl hereinzulassen, war es ein Ort der Verzweiflung. Zwei Jahre hatte die Äbtissin hier überlebt. Sie trank das faulige Wasser und aß das Essen, das man Schweinen nicht zugemutet hätte. In diesen zwei Jahren hatte Mireille alles versucht, um sie ausfindig zu machen.
    Jetzt brachte Alexander sie heimlich in das Gefängnis. Er sprach mit den Wächtern, die ihn verehrten und liebten und alles für ihn getan hätten. Mireille hielt Charlot an der Hand und ging hinter dem Wärter mit der Laterne durch die dunklen Gange. Alexander und Schahin folgten ihnen.
    Die Zelle der Äbtissin befand sich tief in den unterirdischen Gewölben des Gefängnisses - ein kleines Verlies mit einer dicken Eisentür. Mireille erfaßte kalte Angst. Der Wärter öffnete die Tür. Sie trat zögernd ein. Die alte Frau lag leblos in der Ecke. Ihre vertrocknete Haut war so gelb wie welkes Laub. Mireille sank neben der Pritsche auf die Knie, nahm die Äbtissin in die Arme und richtete sie auf. Sie war federleicht, und es schien, als werde sie im nächsten Augenblick zu Staub zerfallen.
    Charlot trat neben sie und nahm die schlaffe Hand in seine. „ Maman “, flüsterte er, „die Dame ist sehr krank. Sie möchte, daß wir sie hier wegbringen, bevor sie stirbt...“ Mireille sah ihn an, dann blickte sie zu Alexander auf, der hinter ihr stand.
    „Ich will sehen, was ich tun kann“, sagte er und verließ die Zelle mit dem Wärter. Schahin trat neben die Pritsche. Die Äbtissin versuchte unter größten Anstrengungen die Augen aufzuschlagen, aber es gelang ihr nicht. Mireille legte den Kopf auf die Brust der alten Frau, und heiße Tränen stiegen ihr in die Augen. Charlot legte ihr die Hand auf die Schulter.
    „Sie möchte etwas sagen“, erklärte er ruhig, „ich kann ihre Gedanken hören... Sie möchte nicht bei den anderen begraben werden... Mutter“, flüsterte er, „sie hat etwas in ihrem Kleid! Und das müssen wir bekommen - sie möchte, daß wir es bekommen.“
    „Großer Gott“, murmelte Mireille, als Alexander wieder eintrat.
„Kommt, laßt sie uns mitnehmen, ehe der Wärter es sich anders überlegt“, flüsterte er. Schahin beugte sich über das Lager und nahm die Äbtissin auf seine Arme. Sie war so leicht wie eine Feder. Die vier eilten aus dem Gefängnis. Sie verließen es durch eine Tür, die zu einem unterirdischen Gang führte. Als sie wieder ans Tageslicht kamen, fanden sie ihre Pferde in der Nähe. Schahin hielt die schwache Äbtissin in einem Arm, bestieg sein Pferd und ritt in den Wald. Die anderen folgten ihm.
Auf der ersten stillen Lichtung hielten sie an und saßen ab. Schahin übergab Alexander die Äbtissin. Mireille breitete für die Sterbende ihren Umhang auf die Erde. Die Äbtissin hielt die Augen geschlossen, aber sie wollte etwas sagen. Alexander brachte ihr in den
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