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Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Titel: Katherine Neville - Das Montglane-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malaxis
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Kaffeetassen in der Hand zurück und starrten auf die Tafel, als der Junge den Zug notierte.
„Fegatello!“ rief Lily, und diesmal zischte niemand. „Ich kann es nicht glauben.“
„Was bedeutet Fegatello?“ Beim Schach schien es mehr rätselhafte Fachausdrücke zu geben als in der Computertechnik.
„Es bedeutet ‚gebratene Leber’. Und Fiskes Leber wird gebraten, wenn er mit seinem König den Springer schlägt.“ Sie kaute auf ihrem Finger und starrte auf das Schachspiel auf ihrem Schoß, als werde dort gespielt. „Er wird natürlich etwas verlieren. Seine Dame und der Turm sind eingekreist. Er kommt mit keiner anderen Figur an den Springer heran.“
Ich fand Solarins Zug unlogisch. Setzte er einen Springer im Austausch für einen Läufer aufs Spiel, nur um zu erreichen, daß der König ein Feld vorrückte?
„Wenn Fiske mit dem König zieht, kann er ihn nicht länger schützen“, erklärte Lily, als könne sie meine Gedanken lesen. „Der König wird dann zur Brettmitte getrieben und kann für den Rest des Spiels strampeln. Er sollte besser mit der Dame ziehen und auf den Turm verzichten.“
Aber Fiske schlug mit seinem König den Springer. Solarin rückte mit seiner Dame vor, und das bedeutete „Schach“. Fiske schützte seinen König durch Bauern, und Solarin zog mit der Dame weiter und bedrohte den schwarzen Springer. Das Spiel kam in Schwung, aber ich konnte die Logik der Züge nicht mehr verfolgen. Auch Lily schien verwirrt.
„Da stimmt etwas nicht“, flüsterte sie mir zu, „das ist nicht Fiskes Stil.“
Es geschah etwas Merkwürdiges. Ich beobachtete Fiske, und mir fiel auf, daß er den Kopf nicht vom Brett hob, wenn er einen Zug gemacht halte. Seine Nervosität nahm sichtlich zu. Er schwitzte, wie die großen dunklen Flecken unter den Armen seiner braunen Samtjacke verrieten. Er schien krank zu sein, und obwohl Solarin am Zug war, starrte er auf das Schachbrett, als liege dort seine ganze Hoffnung.
Solarins Uhr tickte jetzt, aber auch er beobachtete Fiske. Er schien das Spiel vergessen zu haben, so intensiv musterte er seinen Gegner. Nach sehr langer Zeit hob Fiske den Kopf und sah Solarin an, wich seinem Blick jedoch sofort aus und starrte wieder auf das Brett. Solarin kniff die Augen zusammen. Er griff nach einer Figur und schob sie vorwärts.
Ich achtete nicht länger auf die Züge, sondern beobachtete die beiden Männer. Ich versuchte herauszufinden, was zwischen den beiden eigentlich vorging. Lily saß mit offenem Mund neben mir und grübelte über dem Schachbrett auf ihrem Schoß. Plötzlich stand Solarin auf und schob den Stuhl zurück. Hinter uns wurde es unruhig, weil die Leute aufgeregt miteinander flüsterten. Solarin drückte auf einen Knopf und hielt damit beide Uhren an. Dann beugte er sich über Fiske und sagte etwas zu ihm. Ein Schiedsrichter lief schnell zu den Spielern. Er tauschte mit Solarin ein paar Worte. Der Schiedsrichter schüttelte den Kopf. Fiske saß regungslos am Tisch und starrte auf das Schachbrett. Die Hände hatte er im Schoß gefaltet. Solarin sagte wieder etwas zu ihm. Der Schiedsrichter ging zu seinem Platz zurück und sprach mit seinen Kollegen. Die Richter nickten alle, und der Vorsitzende Richter erhob sich.
„Meine Damen und Herren“, sagte er, „Großmeister Fiske fühlt sich nicht wohl. Großmeister Solarin hat freundlicherweise die Uhr gestoppt und einer kurzen Unterbrechung zugestimmt, damit Mr. Fiske sich an der frischen Luft erholen kann. Mr. Fiske, würden Sie bitte Ihren nächsten Zug für das Schiedsgericht versiegeln. Wir setzen das Spiel in dreißig Minuten fort.“
Fiske notierte seinen Zug mit zitternden Händen und schob das Blatt Papier in einen Umschlag. Er versiegelte den Umschlag und reichte ihn dem Schiedsrichter. Solarin verließ schnell den Raum, ehe die Reporter sich auf ihn stürzen konnten, und lief hinunter zum Foyer. Im Raum herrschte große Aufregung. Überall standen Gruppen zusammen, tuschelten und flüsterten miteinander. Ich sah Lily an.
„Was ist geschehen? Was ist hier los?“
„Das ist unglaublich“, sagte sie, „Solarin kann die Uhren nicht anhalten. Das dürfen nur die Richter. Es ist absolut gegen die Regeln. Sie hätten das Spiel abbrechen müssen. Der Richter stoppt die Uhren, wenn alle sich auf eine Unterbrechung einigen. Aber auch das hätte erst geschehen dürfen, nachdem Fiske seinen nächsten Zug versiegelt hatte.“
„Also hat Fiske durch Solarin Zeit gewonnen, die nicht gerechnet wird“, sagte ich.

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