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Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Titel: Katherine Neville - Das Montglane-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malaxis
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Valentine.
In der warmen Stille des späten Nachmittags begann Philidor auf dem Weg zu Davids Atelier seine Geschichte...

DIE GESCHICHTE DES SCHACHMEISTERS
    Als Neunzehnjähriger verließ ich Frankreich und reiste nach Holland, um eine junge Pianistin, eine Art Wunderkind, die dort spielen sollte, auf der Oboe zu begleiten. Als ich in Holland eintraf, mußte ich leider erfahren, daß das Mädchen wenige Tage zuvor an Pocken gestorben war. Ich befand mich in einem fremden Land ohne Geld und ohne die Hoffnung, etwas zu verdienen. Um mich durchzubringen, ging ich in Cafés und spielte Schach.
    Ich hatte schon als Vierzehnjähriger angefangen, bei dem berühmten Sire de Legal, Frankreichs, ja vielleicht sogar Europas bestem Spieler, Schach zu lernen. Als Achtzehnjähriger konnte ich ihn besiegen, wenn er auf einen Springer verzichtete. Ich sollte bald entdecken, daß kein Schachspieler, dem ich begegnete, gegen mich eine Chance hatte. In Den Haag spielte ich während der Schlacht von Fontenoy mitten im Schlachtgetümmel gegen den Prinzen von Waldeck.
    Ich reiste durch England und spielte im Slaughter's Coffee House in London gegen die besten Schachspieler, die sie aufbieten konnten, darunter Sir Abraham Janssen und Philip Stamma. Ich habe sie alle besiegt. Stamma, ein Syrer mit möglicherweise maurischen Vorfahren, hatte mehrere Bücher über Schach veröffentlicht. Er zeigte sie mir, ebenso Werke von La Bourdonnais und Maréchal Saxe. Stamma war der Ansicht, daß ich mit meinen einzigartigen Schachkenntnissen ebenfalls ein Buch schreiben sollte.
    Mein Buch, das einige Jahre später erschien, trägt den Titel Analyse du Jeu des Echecs . Ich vertrat darin die Theorie: Die Bauern sind die Seele des Schachs. Ich erläuterte, daß die Bauern nicht nur da sind, um geopfert zu werden, sondern daß man sie strategisch und in der richtigen Stellung gegen den Gegner einsetzen kann. Das Buch löste eine Revolution in der Schachwelt aus.
    Der deutsche Mathematiker Euler wurde auf mich aufmerksam. Er las in Diderots französischem Dictionnaire von meinem Spiel mit verbundenen Augen und überredete Friedrich den Großen, mich an seinen Hof einzuladen.
    Friedrich der Große hielt Hof in Potsdam in einem riesigen, kahlen Saal, in dem all die Wunderwerke der Kunst fehlten, die man an anderen europäischen Höfen findet. Friedrich war ein Soldat und zog die Gesellschaft von Militärs der von Höflingen, Künstlern und Frauen vor. Es hieß, er schlafe auf einer harten Holzpritsche und habe seine Hunde immer um sich.
    Am Abend meines Eintreffens war auch der Kapellmeister Bach aus Leipzig mit seinem Sohn Wilhelm erschienen. Er war nach Berlin gekommen, um seinen anderen Sohn zu besuchen, Carl Philipp Emanuel Bach, der bei König Friedrich als Cembalist der Hofkapelle angestellt war. Der König selbst hatte acht Takte als Thema einer Fuge vorgegeben und forderte den alten Bach zu Improvisationen darüber auf. Man erzählte mir, daß der alte Bach sich auf solche Dinge verstand. Er hatte bereits Fugen komponiert, in denen in den Harmonien sein Name und der Name Christi in mathematischer Verschlüsselung verborgen sind. Er hat sehr komplexe inverse Kontrapunkte erfunden, in denen die Harmonie ein Spiegelbild der Melodie ist.
    Euler äußerte den Vorschlag, der alte Kapellmeister möge eine Variation versuchen, deren Struktur „das Unendliche“ widerspiegele - das heißt Gott in all seinen Manifestationen. Dem König schien das zu gefallen, aber er war überzeugt, daß Bach Bedenken äußern werde. Ich kann Ihnen als Komponist aus eigener Erfahrung sagen, es ist keine leichte Aufgabe, die Musik eines anderen zu entwickeln. Ich habe einmal eine Oper nach Themen von JeanJacques Rousseau komponiert, einem Philosophen ohne musikalisches Ohr. Aber ein solches geheimes Rätsel in der Musik zu verbergen - es schien unmöglich.
    Zu meiner Überraschung eilte der kleine, gedrungene Kapellmeister zum Flügel. Auf seinem riesigen Kopf trug er eine große, schlechtsitzende Perücke. Die buschigen, ergrauenden Augenbrauen glichen Adlerschwingen. Er hatte eine markante Nase, und die tiefen Unmutsfalten in dem strengen Gesicht ließen auf ein streitsüchtiges Wesen schließen. Euler flüsterte mir zu, der alte Bach halte nicht viel von einer „befohlenen Vorstellung“ und werde sich zweifellos auf Kosten des Königs einen Spaß erlauben.
    Der alte Mann beugte den Kopf über die Tasten und begann, eine schöne und fesselnde Melodie zu spielen, die ins

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