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Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Titel: Katherine Neville - Das Montglane-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malaxis
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einfach den Saal, aber niemand lachte. Wir hatten alle große Achtung vor ihm.“
Er schwieg und nahm nun auch Lilys Arm, als wir die Einbahnstraße überquerten.
„In Zürich war ich einmal krank“, erzählte er weiter, „und Einstein besuchte mich. Er saß auf meinem Bett, und wir sprachen über Mozart. Er liebte Mozart, Sie müssen wissen, Professor Einstein war ein ausgezeichneter Geiger.“ Mordecai lächelte mich wieder an, und Lily drückte seinen Arm.
„Mordecai hatte ein interessantes Leben“, bemerkte sie. Mir fiel auf, daß Lily sich in seiner Gegenwart von ihrer besten Seite zeigte. Ich hatte sie noch nie so zurückhaltend erlebt.
„Aber ich wollte dann doch nicht Mathematiker werden“, sagte Mordecai. „Man sagt, man muß dazu berufen sein, und zwar noch mehr als zum Priester. Ich entschloß mich, Kaufmann zu werden. Trotzdem interessiere ich mich immer noch für alles, was mit Mathematik zu tun hat. Da wären wir.“
Er zog Lily und mich durch eine Doppeltür, und wir standen vor einer Treppe. Als wir hinaufgingen, sagte Mordecai „Ja, ich habe Computer immer für das achte Weltwunder gehalten!“ Dann kicherte er wieder, und ich überlegte, ob Mordecai mir gegenüber nur zufällig von seinem Interesse an Formeln gesprochen hatte. Im Hinterkopf hörte ich die Worte: „Am vierten Tag im vierten Monat kommt die Acht.“
Die kleine Teestube befand sich im Zwischenstock über einer riesigen Passage mit kleinen Juwelierläden. Die Geschäfte unten waren geschlossen, aber hier oben saßen viele der alten Männer, die ich vorhin auf der Straße gesehen hatte. Sie hatten die Hüte abgenommen, trugen aber noch kleine Käppis. Wie Mordecai hatten manche lange Schläfenlocken, die das Gesicht umrahmten.
Wir fanden einen freien Tisch, und Lily bot an, sie werde Tee holen, damit wir miteinander reden konnten. Mordecai zog einen Stuhl zurück und ließ mich Platz nehmen. Dann ging er um den Tisch herum und setzte sich mir gegenüber.
„Diese Schläfenlocken nennt man payess “, erklärte er. „Das ist eine religiöse Tradition. Juden sollen ihre Barte und Ohrlocken nicht schneiden, denn im Leviticus heißt es: 'Ihr sollt nicht die Locken Eurer Köpfe und auch nicht die Ränder der Barte beschneiden'„ Mordecai lächelte wieder.
„Aber Sie tragen keinen Bart“, sagte ich.
„Nein“, sagte Mordecai bedauernd. „An anderer Stelle steht in der Bibel: 'Mein Bruder Esau ist behaart, aber ich bin glatt.’ Ich hätte gern einen Bart, denn ich finde, das würde mich sehr attraktiv machen...“ Er zwinkerte mir zu. „Aber mir wächst nur der sprichwörtliche Flaum.“
Lily erschien mit einem Tablett und drei dampfenden Bechern mit Tee, die sie auf den Tisch stellte, während Mordecai fortfuhr zu erzählen.
„In früheren Zeiten ernteten die Juden die Ränder ihrer Felder nicht, so wie sie die Bärte nicht beschneiden, denn dann konnten die Alten im Dorf die Ähren einsammeln und auch die vorüberkommenden Wanderer. Ja, wissen Sie, Wanderer standen bei uns Juden immer in hohem Ansehen. Mit der Idee des Wanderns verbindet sich etwas Mystisches. Meine Freundin Lily hat mir erzählt, daß Sie in Kürze eine Reise antreten...“
„Ja“, sagte ich, aber ich war mir nicht im klaren darüber, was er davon halten würde, wenn ich ihm sagte, ich werde ein Jahr in einem arabischen Land verbringen.
„Nehmen Sie Sahne zum Tee?“ fragte Mordecai. Ich nickte und wollte aufstehen, aber er sprang auf. „Sie erlauben“, sagte er höflich.
Als er gegangen war, sah ich Lily an.
„Solange wir allein sind“, flüsterte ich, „also... wie nimmt deine Familie die Sache mit Saul auf?“
„Oh, wir alle sind wütend auf ihn“, erklärte sie und verteilte die Teelöffel. „Harry am meisten. Er schimpft ununterbrochen und flucht, Saul sei ein undankbarer Hund.“
„Wie bitte?!“ rief ich. „Saul kann doch nichts dafür, daß er umgelegt worden ist, oder?“
„Was redest du da?“ fragte Lily und sah mich verwundert an.
„Ihr glaubt doch nicht im Ernst, daß Saul seinen Mord selbst inszeniert hat?“
„Mord?’ Lily bekam große Augen. „Nun ja, ich weiß, ich habe mich von meiner Phantasie mitreißen lassen, als ich sagte, er sei entführt worden und so. Aber stell dir vor, er ist zu Hause erschienen und hat gekündigt! Fristlos - einfach so, nach fünfundzwanzig Jahren. Dann ist er verschwunden!“
„Und ich sage dir, er ist tot“, widersprach ich, „ich habe die Leiche gesehen. Er lag am Montag morgen auf einem

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