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Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Titel: Katherine Neville - Das Montglane-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malaxis
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unterbrach ich ihn.
„Ja“, bestätigte Mordecai und sah mich wieder mit diesem seltsamen Blick an. Es war inzwischen nur allzu deutlich, daß ich meine Hausaufgaben gemacht hatte, also schwieg ich. „In Rußland spielt jeder gegen jeden Schach. Die Leute haben sonst nichts zu tun. Also setzte ich mich hin und spielte gegen Alexander Solarin. Ich war so dumm zu glauben, ich könnte ihm etwas beibringen. Natürlich hat er mich geschlagen. Dieser Junge war der beste Schachspieler, gegen den ich in meinem Leben gespielt habe. Meine Liebe“, sagte er zu Lily, „möglicherweise hättest du oder Großmeister Fiske ein Spiel gegen ihn gewonnen, aber es ist nicht wahrscheinlich.“
Wir schwiegen alle. Der Himmel draußen war inzwischen schwarz geworden, und. die Teestube hatte sich geleert. Mordecai warf einen Blick auf seine Taschenuhr, griff nach seinem Becher und trank den Tee aus.
„Also?“ fragte er fröhlich und unterbrach damit das Schweigen. „Gibt es ein anderes Motiv für jemanden, um so vielen Menschen den Tod zu wünschen?“
Lily und ich schüttelten völlig ratlos den Kopf.
„Keine Lösungen?“ fragte er, stand auf und griff nach seinem Hut. „Ich komme bereits zu spät zu meiner Verabredung zum Essen und Sie auch. Ich werde über das Problem nachdenken, wenn ich Zeit dazu habe, aber ich möchte doch meine erste Analyse der Situation kurz umreißen. Sie gibt vielleicht Stoff zum Nachdenken. Ich würde sagen, der Tod von Großmeister Fiske hat mit Solarin wenig zu tun und noch weniger mit Schach.“
„Ja aber -“, unterbrach ich ihn. Doch Mordecai sprach weiter.
„Ist es nicht merkwürdig, daß man das Schachturnier um eine Woche verschoben hat ‚als Zeichen der Trauer um den tragischen Tod von Großmeister Fiske’, die Presse jedoch mit keinem Wort erwähnt, daß es bei seinem Tod nicht mit rechten Dingen zugegangen sein kann? Ist es nicht seltsam, daß Sie Sauls Leiche vor zwei Tagen in einem öffentlichen Gebäude wie der UNO gesehen haben und in den Medien ist nichts davon berichtet worden? Wie erklären Sie sich das?“
„Spurensicherung!“ rief Lily.
„Vielleicht, vielleicht aber auch Spuren verwischen“, sagte Mordecai, „aber du und deine Freundin Kat, ihr habt der Polizei jedenfalls wenig bei der Aufklärung der Fälle geholfen. Kann mir eine von euch beiden helfen zu verstehen, weshalb ihr nicht zur Polizei gegangen seid, nachdem jemand auf euren Wagen geschossen hatte? Warum meldet Kat nicht, daß sie eine Leiche gesehen hat, die sich danach in Luft auflöst?“
Lily und ich begannen, gleichzeitig zu reden. „Aber ich habe doch schon gesagt, warum ich...“, murmelte sie. „Ich habe befürchtet...“, stotterte ich.
„Bitte“, sagte Mordecai und hob die Hand, „dieses Gestammel würde auf die Polizei vermutlich noch hilfloser wirken als auf mich. Und der Umstand, daß deine Freundin Kat jedesmal in der Nähe war, macht die Sache noch verdächtiger.“
„Worauf wollen Sie hinaus?“ fragte ich und horte Nims Worte: „Vielleicht, Kleines, glaubt jemand, daß du etwas weißt.“
„Ich meine“, sagte Mordecai, „obwohl Sie vielleicht nichts mit diesen Ereignissen zu tun haben, haben die Ereignisse etwas mit Ihnen zu tun.“ Nach diesen Worten küßte er Lily auf die Stirn. Mir reichte er förmlich die Hand, und dann kam das Merkwürdigste: Er zwinkerte mir zu! Dann eilte er die Stufen hinunter und verschwand in der Dunkelheit.

PARIS 3. September 1792
    Nur eine Kerze brannte in dem kleinen Kerzenhalter in der Eingangshalle von Dantons Haus. Genau um Mitternacht zog jemand in einem langen schwarzen Umhang am Klingelzug. Der Pförtner schlurfte durch die Halle und spähte durch den Türspalt. Der Mann auf den Stufen trug einen weichen, breitkrempigen Hut, der das Gesicht verdeckte.
    „Mein Gott, Louis“, sagte der Mann, „mach auf. Ich bin's, Camille.“ Der Riegel wurde sofort aufgeschoben, und der Pförtner riß die Tür auf.
„Man kann nicht vorsichtig genug sein, Monsieur“, entschuldigte sich der alte Mann.
„Schon gut, ich verstehe“, sagte Camille Desmoulins ernst und trat über die Schwelle. Er nahm den Hut ab und fuhr sich mit der Hand durch die dichten, lockigen Haare. „Ich komme gerade vom Gefängnis La Force. Weißt du, was geschehen ist -“ Desmoulins blieb wie angewurzelt stehen, als er sah, daß sich in der dunklen Halle etwas bewegte. „Wer ist da?“ rief er erschrocken.
Die große, blasse und trotz der Hitze makellos gekleidete Gestalt erhob sich

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