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Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Titel: Katherine Neville - Das Montglane-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malaxis
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schweigend, trat aus dem Dunkel und streckte Desmoulins die Hand entgegen.
„Mein lieber Camille“, sagte Talleyrand, „ich hoffe, ich habe Sie nicht erschreckt. Ich warte auf Dantons Rückkehr von der Komiteesitzung.“
„Maurice!“ rief Desmoulins und schüttelte ihm die Hand, während der Pförtner sich zurückzog. „Was führt Sie so spät in unser Haus?“ Als Dantons Sekretär lebte Desmoulins schon seit Jahren im Haus seines Herrn.
„Danton hat freundlicherweise eingewilligt, mir einen Paß ausstellen zu lassen, damit ich Frankreich verlassen kann“, erklärte Talleyrand ruhig. „Ich möchte nach England zurückkehren und meine Verhandlungen wieder aufnehmen. Wie Sie wissen, lehnen die Briten es ab, unsere neue Regierung anzuerkennen.“
„Ich würde mir an Ihrer Stelle nicht die Mühe machen, auf ihn zu warten“, sagte Camille. „Haben Sie gehört, was heute in Paris geschehen ist?“
Talleyrand schüttelte langsam den Kopf. „Ich habe gehört, die Preußen seien auf dem Rückzug. Soviel ich weiß, marschieren sie in ihre Heimat zurück, denn die Soldaten haben alle Durchfall.“ Er lachte. „Keine Armee kann drei Tage lang marschieren und dabei den Wein der Champagne trinken!“
„Richtig, die Preußen sind geschlagen“, sagte Desmoulins, ohne in das Lachen einzustimmen. „Aber ich spreche von dem Gemetzel.“ Talleyrands Gesicht entnahm er, daß der andere nichts darüber gehört hatte. „Es fing heute nachmittag im Gefängnis L'Abbaye an. Jetzt sind sie im La Force und dem La Conciergerie. Über fünfhundert Menschen sind nach vorsichtigen Schätzungen bereits tot. Man hat die Leute massenweise abgeschlachtet. Es ist sogar zu Kannibalismus gekommen, und die Nationalversammlung ist machtlos -“
„Davon weiß ich nichts!“ rief Talleyrand. „Und was wird dagegen unternommen?“
„Danton ist immer noch im La Force. Das Komitee hat in jedem Gefängnis improvisierte Gerichte eingesetzt, in dem Versuch, die Flut zu dämmen. Man hat sich darauf geeinigt, den Richtern und Henkern sechs Franc am Tag zu bezahlen und die Mahlzeiten zu stellen. Die einzige Hoffnung bestand darin, den Anschein zu erwecken, es sei alles unter Kontrolle. Maurice, in Paris herrscht Anarchie. Man spricht von Schreckensherrschaft.“
„Unmöglich!“ rief Talleyrand. „Wenn diese Nachricht ins Ausland dringt, dann können wir die Hoffnung auf Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen mit England aufgeben. Wir können froh sein, wenn uns England nicht wie Preußen den Krieg erklärt. Noch ein Grund mehr, sofort abzureisen.“
„Ohne Paß wird Ihnen das nicht gelingen“, sagte Desmoulins und legte ihm die Hand auf den Arm. „Heute nachmittag hat man Madame de Staël verhaftet, weil sie versuchte, das Land im Schutz diplomatischer Immunität zu verlassen. Zum Glück war ich zur Stelle, um ihren Kopf vor der Guillotine zu retten. Man hatte sie in die Pariser Kommune gebracht... Talleyrands Gesicht zeigte, daß er den Ernst der Lage begriff. Desmoulins fuhr fort:
„Keine Angst, sie ist inzwischen wieder in der Botschaft und in Sicherheit. Und Sie sollten ebenfalls zu Hause sein. Das ist keine Nacht, in der der Adel oder der Klerus auf den Straßen sein darf. Sie sind in doppelter Gefahr, mein Freund.“
„Ich verstehe“, sagte Talleyrand ruhig, „ja, ich verstehe.“
    Talleyrand kehrte gegen ein Uhr morgens zu Fuß nach Hause zurück. Er nahm den beschwerlichen Weg durch die dunklen Straßen von Paris, denn eine Droschke hätte das Risiko erhöht, daß man auf ihn aufmerksam wurde. Unterwegs begegnete er Gruppen von Theaterbesuchern und den letzten Spielern aus den Casinos. Er hörte ihr Lachen, als die offenen Wagen mit den Nachtschwärmern an ihm vorüberrollten.
    Sie tanzen am Rand des Abgrunds, dachte Maurice. Es war nur noch eine Frage der Zeit. Er sah bereits das dunkle Chaos, in dem sein Land versank. Er mußte weg, und zwar schnell!
Er erschrak, als er sich dem großen Tor seines Hauses näherte, denn er sah flackerndes Licht aus dem Innenhof dringen. Er hatte strengste Anweisungen gegeben, alle Fensterläden und Vorhänge zu schließen. Nicht der geringste Lichtschein sollte darauf hinweisen, daß er sich im Haus befand. In diesen Zeiten war es gefährlich, zu Hause zu sein. Als er den Schlüssel ins Schloß steckte, öffnete sich der schwere Torflügel einen Spalt. Courtiade, sein Kammerdiener, stand vor ihm. Das Licht stammte von einer kleinen Kerze, die er in der Hand hielt.
„Um Himmels willen,

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