Katie außer Rand und Band - wie eine Hundedame unser Herz eroberte
solltest du doch erst mal einen Kochkurs machen.« Die meisten meiner Kreationen wanderten leider umgehend in Pearls Mülleimer.
Doch ich ließ mich nicht entmutigen. Nachdem ich monatelang Martha Stewarts Sendung angeschaut hatte, bei der alles so einfach aussah – und außerdem gefiel mir ihr ruhiges, detailliertes Vorgehen –, zog ich los und kaufte mir einen professionellen Mixer, die richtigen Töpfe und ein paar weitere Kochutensilien.
»Granny, kannst du kurz rüberkommen? Ich würde gern Julia Childs Eischwerkuchen mit Vanilleglasur ausprobieren ...« Und umgehend stand Pearl neben mir, siebte das Mehl, warnte mich, die trockenen Zutaten nicht zu rasch unter die feuchten zu mengen, maß Backpulver und Vanille ab, goss den Teig in die Backform und half mir, die Glasur herzustellen und den Kuchen einzupinseln. Wenn ich Seite an Seite mit ihr hantierte, stiegen teure Erinnerungen an Nana in mir auf. Ich schätzte die Zeit in der Küche mit Pearl sehr, und Katie verfolgte jede einzelne Bewegung.
Manchmal war das Ergebnis ein Flop – entweder der Kuchen war angebrannt, oder er war nicht durchgebacken – und landete sofort im Müllschlucker. Manchmal war so ein Kuchen zwar lecker, aber unansehnlich, und wir brachten ihn unserem Türsteher. Der hat ihn an die Hunde im Haus verfüttert, wie ich später erfuhr. Ab und zu brachte ich aber auch einen perfekten Kuchen zustande, und Katie half uns dann beim gemeinsamen Abendessen, ihn zu verputzen.
Eines Abends war ich felsenfest davon überzeugt, alles richtig gemacht und das Rezept genauestens befolgt zu haben. Deshalb verstand ich nicht, warum Granny gleich das erste Stückchen ausspuckte. »Du hast Salz genommen statt Zucker«, schimpfte sie und warf den Kuchen in den Mülleimer – wieder einmal.
Nach zwei Stunden Backen und Glasieren war ich meist völlig erledigt, während Pearl so frisch wirkte wie eh und je.
Obwohl Granny mir in Jahren weit voraus war, hatte sie weit mehr Durchhaltevermögen als ich. Allerdings hatte sie auch einen gesunden Rücken. Unermüdlich werkelte sie herum, sie schleppte schwere Waschkörbe in den Keller, sie wischte den Boden, sie lief zur Bushaltestelle, weil sie einen Einkaufsbummel in der Stadt machen wollte, sie brachte Ryan zu einem Spielkameraden oder zu seinem Fußballtraining, sie machte ausgedehnte Spaziergänge mit Katie und »ihrem Jungen« auf der Esplanade und gab mit ihnen an, wie Großmütter es nun mal tun.
Doch Ryan gab auch mit Granny an. Er brachte seiner Kunstlehrerin ein Foto von Pearl mit, und eine Woche später kam er stolz mit einer Federzeichnung nach Hause, die er in seinem Schlafzimmer an die Wand hängte. Die Künstlerin hatte es hervorragend verstanden, Pearls Gesichtszüge liebevoll einzufangen – ihre runden Wangen mit den Grübchen, ihre hohe Stirn, ihre wilde Haarmähne, ihre ausdrucksvollen Augen hinter den vom Alter schweren Lidern. Pearl hielt nichts von Make-up. Ihre Vorstellung davon beschränkte sich darauf, bei besonderen Gelegenheiten zum Lippenstift zu greifen; abgesehen davon schminkte sie sich nie.
»Mit ihren widerspenstigen Haaren sah sie ziemlich oft aus wie aus einem Film von den Marx Brothers«, erinnerte sich John später einmal lächelnd. Aber das machte sie umso liebenswerter. Für mich war Pearl so schlicht und gleichzeitig so elementar wie Brot, an ihr war nichts Extravagantes oder Gestyltes.
Im Umgang mit Ryan war sie nicht besonders streng, doch sie behielt alles im Auge, was »das Kid« und Katie taten. Einmal ertappte sie die beiden dabei, wie sie gemeinsam im Bett lagen und Bagels futterten. Katie schleckte Ryan den Frischkäse von den Lippen. Dann legte sie sich auf seine Brust und schlief ein. Sie schnarchte laut, während er fernsah.
Wenn Ryan einen Freund zum Spielen eingeladen hatte, war Katie immer dabei und umkreiste die beiden. Abends ließ sie sogar das Schaumbad mit Ryan über sich ergehen und sich willig mit kleinen Wassereimerchen den Schaum vom Kopf spülen.
Nach dem Bad kam dann noch ein letztes Wettrennen durch den Gang mit Pearl als Schiedsrichterin, allerdings ohne Bälle. Der Fairness wegen stellte ich Katie und Ryan in einer Linie vor Pearls Wohnungstür auf und hielt beide mit dem ausgestreckten Arm zurück.
»Bleib, Katie«, befahl ich streng, denn manchmal versuchte sie, sich einen Vorsprung zu erschleichen.
»Sie schummelt!«, kreischte Ryan erbost.
»Ruhe!«, mahnte Pearl. »Benimm dich, Katie!«
Dann verkündete sie: »Auf die Plätze,
Weitere Kostenlose Bücher