Katrin mit der großen Klappe
ihr ja wieder über die Mauer
klettern“, sagte sie. „Wie ihr es schon einmal getan habt!“
Sie merkte, daß ihr Hieb
gesessen hatte, weil Silvy ganz still blieb, so still, als hätte es ihr
regelrecht die Sprache verschlagen.
„Nimm’s nicht tragisch, Silvy“,
sagte Katrin leichthin. „Das ist doch alles längst vergessen und vergeben.
Also, wie ist es? Kann ich mit dir rechnen?“
„Ganz bestimmt“, sagte Silvy,
„und mit den anderen auch. Das wird sich keine entgehen lassen!“
Das wäre geschafft, dachte
Katrin und legte den Hörer auf. Aber bis die improvisierte Party starten
konnte, gab es noch allerhand zu tun.
Zuerst mußten die
Papierschnitzel und die Reste der Zeitschriften eingesammelt werden, die bei
ihrer Dekorationsarbeit entstanden waren. Katrin gab sich nicht damit zufrieden,
sie in den Papierkorb zu werfen, sondern machte sich die Mühe, sie nach draußen
in die Mülltonne zu bringen und ganz fest hineinzustopfen.
Dann ging sie ins Haus zurück
und schaltete die Ölheizung wieder ein. Was sie ihren jungen Gästen anbieten
sollte, darüber war sie sich schon längst klar. Die Großmutter hatte ihr eine
Riesendose mit selbstgemachten Plätzchen für die Weihnachtsfeiertage
mitgegeben. Die öffnete sie jetzt und verteilte sie malerisch auf kleine
Schüsseln und Teller.
Dann zog sie sich an und machte
sich auf den Weg, Getränke zu besorgen. In Weikerts Keller standen zwar Kisten
mit Wasser, Bier und Limonade, aber wenn Katrin es auch mit der Wahrheit nicht
sehr genau nahm, so respektierte sie doch sehr gut den Unterschied zwischen Mein
und Dein. Sie hätte nicht einmal im Traum daran gedacht, irgend etwas zu
verbrauchen, was Weikerts gehörte.
So besorgte sie selber Cola und
Papierservietten, trug den Adventskranz aus dem Zimmer der Großmutter nach oben
und steckte, als es endlich auf drei Uhr zuging, sämtliche vier Kerzen an. In
allen Zimmern zog sie die schweren Vorhänge zu, damit nicht zufällig jemand
bemerken konnte, daß in der Weikertschen Villa, wo eigentlich kein Mensch mehr
sein sollte, ein kleines Fest im Gange war.
Die allerbeste Idee hatte
Katrin ganz zuletzt, als schon das erste Klingelzeichen an der Tür ertönte: Sie
legte eine Langspielplatte mit ganz tollem Beat auf — ein Wunder, daß Weikerts
so etwas hatten! — und stellte die Stereoanlage an. Als sie ihre Freundinnen,
die alle auf einmal gekommen waren, in den Wohnraum führte, in dem aus allen
Ecken elektrische Gitarren und Schlagzeuge zu tönen schienen, war der Eindruck
ungeheuer.
Leonore, Olga und Ruth waren
unfähig, ein Wort hervorzubringen, und selbst Silvy, die sich so leicht nicht
imponieren ließ, stieß ein ehrfurchtsvolles: „Donnerwetter!“ aus.
Jetzt tauten auch die anderen
auf.
„Mensch, so lebst du?!“ sagte
Olga andächtig.“ Kein Wunder, daß du dich da für etwas Besseres hältst!“
„Ach, Unsinn, das tue ich doch
gar nicht“, versicherte Katrin rasch. „Meinst du, ich mache mir was aus dem
allem hier? Ich würde genauso gern in einer Mansarde leben!“ — Und obwohl diese
Behauptung der Wahrheit ziemlich nahe kam, klang sie für die Freundinnen mehr
als unglaubwürdig.
„Du, das ist einfach Klasse!“
stieß Rutchen ehrfurchtsvoll aus. „Wenn du dir nichts draus machst, laß uns
doch tauschen!“
„Ist das hier dein Vater?“
fragte Leonore und nahm das große Bild im Silberrahmen hoch, in das Katrin
einen amerikanischen Wildwest-Darsteller gesteckt hatte.
Katrin nahm es ihr hastig aus
der Hand. „Ach, woher denn! Das ist nur ein guter Freund unserer Familie!“ Als
sie merkte, daß jetzt auch die anderen Bilder das Interesse ihrer Freundinnen
zu erregen begannen, fügte sie rasch hinzu: „Sagt mal, für wie blöd haltet ihr
mich eigentlich? Die Fotos von meinem Vater habe ich natürlich entfernt, bevor
ihr kamt!“
„Und wo ist deine Mutter?“
fragte Leonore.
Katrin machte eine großartige
Handbewegung. „Unterwegs!“ Silvy hob die schmalen Augenbrauen. „Soll das
heißen, sie ist gar nicht zu Hause?“
„Du hast’s erfaßt“, gab Katrin
frech zurück und drehte den Spieß um: „Sonst hätte ich euch doch gar nicht
einladen können! Ich habe euch doch erzählt, wie lärmempfindlich meine Mutti
ist!“
„Aber durftest du das denn
überhaupt?“ piepste Ruth. „Durftest du uns einladen?“
„Ich kann alles, was ich will,
wenn ich nur niemanden störe! Ihr habt euch doch immer gewünscht, mich zu Hause
zu besuchen. Also, warum steht ihr dann jetzt
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