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Katrin Sandmann 01 - Schattenriss

Katrin Sandmann 01 - Schattenriss

Titel: Katrin Sandmann 01 - Schattenriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Klewe
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lächelte. „Natürlich. Sie hatte es nicht leicht mit der Mathematik, im Gegensatz zu Ihnen. Was ist denn aus ihr geworden?“
    „Eigentlich wollte sie ja auch Lehrerin werden. Englisch und Deutsch. Aber sie hat ihr Studium abgebrochen. Jetzt ist sie Mutter von drei kleinen Kindern und fühlt sich glaub ich sehr wohl damit.“
    Breuer sah sie an. „Das wäre wohl nichts für Sie, Katrin.“
    „Vermutlich nicht. Ich habe nicht die nötige Geduld. Ich bin nach einem Abend Babysitten schon völlig erschöpft.“
    „Da wächst man hinein.“ Christa Breuer sprach zum ersten Mal, seit sie sich an den Tisch gesetzt hatten. „Wir haben selbst zwei Söhne. Im Anfang habe ich auch oft gedacht, dass mir alles über den Kopf wächst, aber mit der Zeit bin ich immer besser klar gekommen.“ Sie machte eine kurze Pause. „Ist wie mit diesem Ding hier.“ Sie sah auf ihren Rollstuhl hinunter. „In den ersten Monaten hatte ich jedes Mal Panik, wenn ich das Haus verlassen musste. Mir graute es vor jeder Straßenecke, jeder Bordsteinkante und jeder Tür. Aber irgendwann wird einem sogar so etwas zur zweiten Haut.“ Sie seufzte.
    „Sind Sie schon lange auf den Rollstuhl angewiesen?“, fragte Katrin vorsichtig. Normalerweise hätte sie das Thema nicht angeschnitten, aber da die Frau selbst davon angefangen hatte, erschien es ihr höflich, Interesse zu zeigen.
    „Seit fast sechs Jahren jetzt.“
    „Ein Autounfall“, fiel ihr Mann ein. „Eine schreckliche Sache. Christa war nicht schuld. Dieser Kerl hat ihr einfach die Vorfahrt genommen. Manche Menschen sind so rücksichtslos.“
    „Schon gut Horst.“ Sie griff nach seiner Hand. „Er nimmt es sich mehr zu Herzen als ich. Er fühlt sich immer noch ein wenig schuldig, weil er mich dazu überredet hat, das Steuer zu übernehmen. Wir waren auf dem Heimweg von einer Feier. Ich war viel zu müde und wollte nicht fahren. Aber Horst hatte ein wenig getrunken. Also blieb mir nichts anderes übrig. Ich habe den anderen Wagen nicht rechtzeitig gesehen. Oder vielleicht war ich auch nur zu müde, um schnell genug zu reagieren. Aber es hilft niemandem, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Was passiert ist, ist passiert.“
    Horst Breuer stand auf und fing an, die Teller zusammenzustellen. Katrin wollte ihm helfen, aber er winkte ab.
    „Lassen Sie nur. Ich mach das schon.“
    Während er in der Küche war, erzählte seine Frau, wie schwer es ihm fiel, jeden Morgen in die Schule zu gehen.
    „Er ist aus Überzeugung Lehrer geworden, Katrin. Es war wirklich sein Wunschberuf. Und in den ersten Jahren hat es ihm wohl auch noch Spaß gemacht. Aber je älter er wird, desto weniger kommt er mit den Schülern klar. Er lebt in einer anderen Welt. Er versteht sie nicht mehr. Er kann nichts mit den Dingen anfangen, die ihnen wichtig sind, die Musik, die sie hören, die Kleidung, die sie tragen. Sie sprechen nicht einmal mehr die gleiche Sprache. In den letzten Wochen hat er besonders gelitten. Er war mehrmals krank. Kopfschmerzen, Magenschmerzen. Ich glaube, er würde am liebsten aufhören und nie wieder ein Schulgebäude betreten. Aber wir brauchen das Geld. Unsere Söhne studieren beide. Klaus ist in Münster und Peter in Berlin. Außerdem vermute ich, dass er hier zu Hause auch nicht glücklich wäre. Er hatte schon mal eine Phase, in der ihm die Arbeit an der Schule über den Kopf zu wachsen schien. Aber dann hat er sich wieder gefangen. Er ist ein sehr zart besaiteter Mensch und der grobe Umgangston dieser jungen Menschen ist ihm zuwider.“
    Sie seufzte und starrte aus dem Fenster auf den verwilderten Garten.
    „Es ist nicht immer leicht, wenn man nur hilflos zusehen kann. Ich würde gern so viele Dinge tun …“
    Katrin legte der Frau die Hand auf die Schulter. Auf eine merkwürdige Art erinnerte Christa Breuer sie an Tamaras Vater. Sie war der gleiche Typ Mensch, feinsinnig und gebildet, und da war eine verzweifelte Ohnmächtigkeit in ihrer Haltung, die ihnen beiden gemeinsam war. Sie schienen sich in einem aussichtslosen Kampf gegen eine unsichtbare zerstörerische Woge zu stemmen, die ihr Leben zu überrollen drohte.
    Horst Breuer kam aus der Küche zurück. Er brachte eine kleine Flasche und drei Schnapsgläser mit. „ Selbstgemachter Johannisbeerlikör von meiner Frau. Die Beeren sind aus unserem Garten. Den müssen Sie probieren.“
    „Aber bitte nur ein kleines Glas.“
    Ich muss noch Auto fahren, wollte Katrin hinzufügen, aber sie schluckte die Bemerkung rechtzeitig

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