Katrin Sandmann 01 - Schattenriss
keinen Fall, dass sie es erfährt. Sie macht so schon genug durch. Sie müssen mir versprechen, dass Sie das nicht erwähnen. Sie dürfen niemandem davon erzählen.“
Er sah Katrin beschwörend an. Aber sie wollte sich nicht auf ein direktes Versprechen einlassen.
„Ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass Tamara sich selbst getötet hat? Ich meine, wenn sie diese Neigung hatte …“
„Auf gar keinen Fall. Viele Jugendliche machen Phasen durch, in denen sie sich merkwürdig verhalten. Sie hatte keinen Grund, sich das Leben zu nehmen. Außerdem sagt die Polizei, dass sie nicht allein auf dem Friedhof war.“
Seine Stimme klang aufgebracht. Er hatte seinen Blick vom Teppich erhoben und sah Katrin scharf an.
„Jemand hat meine Tochter getötet und ich will, dass dieser Kerl gefasst wird.“
Später fuhr Katrin in den Grafenberger Wald. Es war windig geworden und blassgraue Wolkenfetzen jagten über den Himmel. Sie parkte den Wagen an der Rennbahn und begann, den Aaper Höhenweg entlang zu joggen. Sie war nicht übermäßig sportlich und kam rasch aus der Puste. Trotzdem lief sie weiter, als hinge ihr Leben davon ab. Als sie schließlich keuchend ihr Auto wieder erreichte, hatte sie die Übelkeit halbwegs überwunden und auch das leichte Zittern ihrer Finger hatte sich gelegt. Einen Moment lang presste sie ihre schweißnasse Stirn gegen die raue Rinde einer Eiche und atmete tief ein und aus, dann stieg sie mit wackeligen Beinen in ihren Golf und fuhr nach Hause.
Pünktlich um zehn Uhr am Montagmorgen schloss Christian Gutsche die Tür zu seiner Videothek auf.
„Guten Morgen.“
Er drehte sich abrupt um. Vor ihm stand dieser Journalist, der schon am Samstag da gewesen war, Manfred Kabritzky .
„Was wollen Sie schon wieder?“, fragte er missgestimmt.
„Das wissen Sie ganz genau. Sie erzählen mir, was die Frau von Ihnen wollte, die am Samstag hier war, und ich bin sofort wieder weg.“
„Hab ich Ihnen schon gesagt. Sie hat einen bestimmten Film gesucht. Näheres geht Sie nichts an. Ich kann doch nicht mit der Presse über meine Kundschaft quatschen. Und jetzt machen Sie, dass Sie wegkommen.“
Er betrat den Laden und zog die Glastür energisch hinter sich zu. Aber Manfred Kabritzky ließ sich nicht so leicht abwimmeln. Er trat ebenfalls ein und folgte ihm in den Lagerraum hinter der Theke.
„Ich nehme an, Sie sind nicht so scharf auf einen Besuch von der Polizei?“
Er griff in eine Kiste mit DVDs , die in der Ecke an der Wand stand und fischte einen Film heraus.
„Toller Streifen. Hab ich im Kino gesehen. Ist noch gar nicht so lange her. Ich glaube der offizielle Termin für das Erscheinen der DVD ist Ende Juli, wenn ich mich nicht täusche.“
Christian Gutsche nahm den Mann in Augenschein. Einen Moment lang erwog er, sich auf ihn zu stürzen. Dieser Kabritzky war groß und kräftig gebaut, aber mit Sicherheit nicht so durchtrainiert wie er selbst. Dann siegte die Vernunft.
„Was geht Sie das an. Verpfeifen Sie mich doch, wenn’s Ihnen Spaß macht.“
Ein Klingelton im Ladenlokal kündigte an, dass Kundschaft eingetreten war.
„Ich muss arbeiten.“ Gutsche bahnte sich einen Weg zwischen den Kartons hindurch in den Geschäftsraum. Kabritzky folgte ihm.
„Was ist mit dem Mädchen?“
„Welches Mädchen?“ Der Videothekbesitzer nickte dem Kunden zu, der sich schnurstracks in die Abteilung mit den Filmen für Erwachsene begeben hatte. Dann sah er Kabritzky fragend an. Dieser fixierte ihn wortlos.
„Was glauben Sie denn? Sie wollte das mit den Filmen wissen, genau wie Sie. Angeblich hat Tamara ihr davon erzählt.“
„Tamara?“
„Tamara Arnold. Hat hier gejobbt. Ist diese Woche gestorben, Selbstmord oder so.“
„Und die wusste von den illegalen Filmen?“
Gutsche verzog das Gesicht. „Verschwinden Sie endlich. Mehr weiß ich auch nicht.“
Kabritzky ging auf die Tür zu. Bevor er sie öffnete, drehte er sich noch einmal um. „Sie haben nicht zufällig etwas mit Tamaras Tod zu tun? Wollten Sie das Mädchen vielleicht zum Schweigen bringen, weil sie von Ihren Nebengeschäften zu viel wusste?“
Er wartete die Antwort nicht ab, sondern verließ eilig die Videothek. Er marschierte zu seinem Wagen, nahm sein Handy und wählte die Nummer von Klaus Halverstetts Büro.
Sylvia Arnold nahm ein großes, weißes Laken aus dem Container. Sie ließ das glatte Tuch durch ihre Finger gleiten. Sie genoss das angenehme Gefühl des sauberen, kühlen Stoffs an ihrer Haut. Dann nahm sie die
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