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Katrin Sandmann 02 - Kinderspiel

Katrin Sandmann 02 - Kinderspiel

Titel: Katrin Sandmann 02 - Kinderspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Klewe
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Anfang fünfzig noch äußerst attraktiv aus. In den letzten Tagen jedoch war sein Gesicht mit einem Mal alt geworden, und seine Haut wirkte grau und papieren, so als könne ein kleiner Windstoß sie zerreißen. Katrin senkte betroffen den Blick und starrte auf das Kästchen in seinen Händen. Dann sah sie ihn fragend an.
    »Was ist das ?«
    »Ihr Schmuck.«
    Katrin zuckte verwirrt zusammen.
    »Es sind nur ein paar kleine Stücke«, fügte er schnell hinzu. »Sie sind kein Vermögen wert. Ich bin sicher, dass sie es so gewollt hätte. Wir haben ja sonst niemanden, dem wir es geben könnten .«
    »Das tut mir Leid«, sagte Katrin leise. Sie vermied es, auf das kleine Kästchen zu sehen, das Heinrich ihr immer noch hinhielt, und starrte stattdessen wieder auf den Rasen vor ihren Füßen. Sie wünschte sich meilenweit weg. Sie spürte das unvermeidliche Gespräch nahen wie eine schwarze Gewitterfront. Thomas Heinrich stellte das Schmuckkästchen auf die Bank zwischen sie.
    »Es ist nicht so, wie du vielleicht denkst. Ich weiß, dass du sie nicht besonders gemocht hast, aber das war nicht deine Schuld. Sie war sehr verschlossen .«
    »Ich hatte ja keine Ahnung .« Katrin hatte das Gefühl, ihre eigene Stimme von ganz weit weg zu hören. Wieder brach ihr der Schweiß aus allen Poren, aber diesmal lag es nicht an der Schwüle.
    Thomas Heinrich schüttelte den Kopf. »Niemand hat wirklich gewusst, was in ihr vorging. Manchmal hatte sie gute Phasen, dann waren wir beinahe richtig glücklich .« Er lächelte schwach. »Aber dann überkam es sie wieder, und sie war tagelang, wochenlang nicht ansprechbar, verschlossen, stumm. Ich habe mit ansehen müssen, wie sie gelitten hat. Sie hat sich mit Tabletten voll gestopft, aber die haben das Problem nur verlagert, ihr jegliche Lebensenergie geraubt. Manchmal saß sie stundenlang einfach da, vollkommen versunken, apathisch. Nachts konnte sie nicht schlafen, ist durchs Haus geschlichen, hat am Fenster gestanden und in den Garten gestarrt. Sie war immer sehr leise, wollte mich nicht wecken, aber ich habe es jedes Mal mitgekriegt. Ich habe versucht, ihr zu helfen, aber sie hat mich nie ganz an sich rangelassen. Es war, als wäre da eine Wand zwischen ihr und dem Rest der Welt gewesen .«
    »Ich dachte, es war, weil ihr keine Kinder hattet ?«
    Er schüttelte heftig den Kopf. »Alle denken das. Ich hielt es für das Beste, es dabei zu belassen. Das ist wenigstens etwas, das die meisten nachvollziehen können. Aber das stimmt nicht. Zumindest nicht so. Das Gegenteil war der Fall. Sie wollte keine Kinder. Auf gar keinen Fall. Das war das Erste, was sie zu mir sagte, als ich sie bat, meine Frau zu werden: Aber ich will keine Kinder. Niemals. Das ist meine einzige Bedingung .« Thomas Heinrich schwieg und starrte auf seine Hände. Dann fuhr er fort. »Ich bin damals natürlich davon ausgegangen, dass sie ihre Meinung ändert. Sie war ja noch so jung, als ich sie kennen lernte. Gerade neunzehn. Selbst noch fast ein Kind. Aber sie hat sie nicht geändert .«
    Katrin wandte ihr Gesicht zur Seite und sah ihn an.
    »Hat sie denn mit dir darüber gesprochen, warum sie keine Kinder wollte ?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Ich habe es natürlich versucht, aber sie wollte nicht darüber reden. Ich denke, es hatte mit ihrer eigenen Kindheit zu tun. Als sie dreizehn war, hat ihre Mutter sie und ihren Vater von einem Tag auf den anderen verlassen. Ist einfach verschwunden und nie wieder aufgetaucht. Claudias Vater ist damit nicht fertig geworden. Er war Bankangestellter, ein ganz korrekter, penibler Mensch. Ich vermute, er hat das Verhalten seiner Frau als persönliches Versagen empfunden .«
    Thomas Heinrich zog erneut das Taschentuch aus seiner Tasche und begann, sich umständlich die Finger zu reiben. »Seinen Frust darüber musste seine Tochter ausbaden. Sie war an allem Schuld, sie konnte ihm nichts recht machen. Sie war dumm, eine Versagerin .«
    Er verstummte. Katrin beobachtete, wie er das Taschentuch ordentlich zusammenfaltete und auf seinen Oberschenkel legte.
    »Denkst du, dass sie deswegen depressiv war ?«
    Er nickte. »Ich glaube, wenn man oft genug unter die Nase gerieben bekommt, was man für ein Stück Dreck ist, fängt man irgendwann an, es zu glauben. Claudia hat es auf jeden Fall geglaubt. Sie hielt sich für einen nutzlosen, schlechten Menschen, hatte ständig irgendwelche absurden, diffusen Schuldgefühle .« Er stopfte das Taschentuch weg. »Sie hätte weglaufen sollen, wie ihre

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