Katrin Sandmann 02 - Kinderspiel
Besorgungen und Erledigungen, die ein Umzug mit sich brachte. Katrin begriff, dass es an dieser extrem belastenden Situation lag, dass Roberta so überreagierte. Dass sie einfach mit den Nerven am Ende war und Hilfe brauchte. Es war ein merkwürdiges Gefühl gewesen, Roberta so zu sehen. Sie war zwar zart und schmächtig, aber sie steckte voller Energie. Bisher hatte Katrin immer geglaubt, dass es nichts gäbe, was ihre Freundin unterkriegen könnte. Aber da hatte sie sich getäuscht. Jetzt waren auch ihre Kräfte aufgebraucht.
Katrin rief kurz entschlossen in der Brauerei an und sagte den Termin ab. An dem Tag hätte sie eigentlich die Aufnahmen für die Werbebroschüre machen sollen. Ihre Absage wurde mit Erleichterung entgegengenommen. Zwar mussten die Geschäfte auch nach Andreas Schäfers tragischem Tod weiterlaufen, aber noch war die Normalität nicht wieder eingekehrt; ein Bierbrauer fehlte, und außerdem standen die Kollegen unter Schock; alle waren sehr betroffen von dem Unglück. Sie vereinbarten einen neuen Termin in der nächsten Woche. Vielleicht war dann auch endlich diese unerträgliche Hitzewelle vorbei.
Katrin und Roberta packten gemeinsam Kartons aus. Katrin ließ drei Maschinen Wäsche laufen, spannte lange Leinen im Garten und hängte sie auf. Roberta hatte die Waschmaschine seit jener Nacht, in der sie die Telefonnummer gefunden hatte, nicht mehr angerührt. Das war letzten Freitag gewesen, vor genau einer Woche.
Mittags holten sie die Kinder ab. Sie kauften Hähnchen und Pommes Frites an einer Imbissbude, breiteten an einer der wenigen Stellen, wo sich ein wenig ausgedörrter Rasen befand, eine Decke aus, und machten Picknick im Garten zwischen der frischen Wäsche, die eine angenehme Kühle verbreitete.
Später ließ Katrin sich den Bierdeckel zeigen. Sie riefen die Nummer an, aber am anderen Ende meldete sich nur eine Mailbox. Katrin versuchte Roberta klar zu machen, dass es bestimmt eine harmlose Erklärung für Peters Geheimniskrämerei gab, aber sie spürte, wie in ihr selbst die Zweifel hochstiegen. Es war halb neun, als sie wegfuhr, und zu dem Zeitpunkt war Peter noch nicht nach Hause gekommen.
Ein heftiger Schlag auf den Kopf riss Katrin aus ihren Gedanken. Diesmal hatte sie den Ball abbekommen. Manfred entschuldigte sich in aller Form. Die Jungen grinsten. Katrin beschloss, die allgemeine Unaufmerksamkeit zu nutzen. Sie sprang auf, kickte den Ball ein Stück vor sich her und beförderte ihn dann mit einer gezielten Flanke in das aus einem Sweatshirt und einem gelben Rucksack provisorisch errichtete Tor.
8
Hauptkommissar Halverstett deponierte sein Jackett auf dem Rücksitz des Dienstwagens und krempelte die Ärmel seines Hemdes hoch. Trotz der vielen Geschäfte lag die Benderstraße verlassen wie eine ausgediente Filmkulisse in der sengenden Hitze. Es war zwei Uhr mittags. Halverstett knallte die Wagentür zu. Dann marschierte er entschlossen auf ein älteres Mietshaus zu, das an einer Straßenecke lag. Ein Kollege in Uniform stand vor der Haustür, grüßte ihn knapp und ergänzte trocken: »Dritte Etage. Kein Aufzug.«
Halverstett brummte missmutig und machte sich an den Aufstieg. Wider Erwarten war das Treppenhaus angenehm kühl. Ein paar neugierige Nachbarn lugten verstohlen aus ihren Wohnungen. Einige hatten sich auf dem Treppenabsatz der dritten Etage versammelt und versuchten einen Blick durch die geöffnete Tür zu werfen. Ein Beamter der Spurensicherung strich mit einem Pinsel über den Rahmen.
»Na, Krüger. Schon was gefunden?«
»Mahlzeit, Halverstett .« Der Mann tippte mit dem behandschuhten Zeigefinger auf das Schloss. »Aufgebrochen worden. Ziemlich dilettantisch, wenn Sie mich fragen. Da hatte jemand nicht viel Erfahrung mit so was .«
Er pinselte weiter und Halverstett betrat die Wohnung. Trotz des Durcheinanders von Polizisten, die versuchten, Spuren aufzunehmen, verströmten die Räume Kargheit und Leere, wirkte die Wohnung unpersönlich und schäbig. Ein altmodisches Telefontischchen und ein Schirmständer in Form einer mit Blumen bemalten, bauchigen Milchkanne waren die einzigen Möbelstücke in der Diele, deren blanker, vergilbter Linoleumboden sich entlang der Fußleisten vom Untergrund schälte. Rita Schmitt tauchte auf der Türschwelle zum Wohnzimmer auf und begrüßte Halverstett . Er nickte ihr zu.
»Wo ?« , fragte er knapp.
Sie ging voran in ein kleines fensterloses Bad mit gelblichen Kacheln. Auf dem fleckigen Waschbeckenrand lag ein
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