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Katrin Sandmann 02 - Kinderspiel

Katrin Sandmann 02 - Kinderspiel

Titel: Katrin Sandmann 02 - Kinderspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Klewe
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nach der Kuchenschaufel. »Noch ein Stück?«
    Angelika wollte dankend ablehnen, aber dann nickte sie. Durch das Küchenfenster drang plötzlich das Geschrei von Kindern. Eine Stimme brüllte wütende Beschimpfungen und irgendjemand weinte bitterlich. Angelika sprang auf und sah hinaus. Sie standen auf dem Rasen und stritten. Der Garten hinter dem vierstöckigen Mietshaus, das sie bewohnten, war klein und schmal. Eine hohe, unordentlich verputzte Backsteinmauer trennte ihn vom Garten des Nachbarhauses, der viel größer war und ein wenig verwildert. Alle Gärten hinter den Häusern des Viertels waren durch solche Mauern von einander getrennt. Die Mieter hatten durch den Keller Zugang und konnten sie nach Belieben nutzen. Nur die Bewohner der Parterrewohnungen hatten es noch besser. Sie konnten direkt von ihren Balkonen aus über eine Treppe in den Garten gehen. Die Kinder spielten in allen Gärten, so wie es ihnen gefiel. Sie ließen sich weder von Mauern noch von Kellertüren abhalten, nicht einmal von schimpfenden Anwohnern, denen es bisweilen zuviel wurde, wenn sie durch die Beete trampelten und die Birnbäume plünderten. Die Kinder betrachteten das gesamte Gelände als ihr Revier, als einen einzigen großen Abenteuerspielplatz.
    Angelika beobachtete das Geschehen hinter dem Haus mit sorgenvollem Blick. Die Kinder verzogen sich jetzt in eine Ecke des Gartens, wo ein dichtes Holundergebüsch die Sicht versperrte. Sie diskutierten immer noch aufgeregt miteinander. Ein kleiner Junge blieb allein auf dem Rasen zurück und starrte ihnen erwartungsvoll hinterher.
    »Was ist los ?« Erna war neben Angelika getreten und spähte ebenfalls aus dem Fenster.
    »Es ist wegen Martin. Es ist immer dasselbe. Sie lassen ihn nicht mitspielen. Er ist ihnen zu klein .« Sie seufzte. Am liebsten wäre sie hinaus auf den Balkon gegangen und hätte die Sache geregelt. Es schmerzte sie, ihren Sohn so leiden zu sehen. Aber sie wusste, dass ihr Mann nichts davon hielt, wenn sie sich einmischte: Das müssen die untereinander regeln. Du machst alles nur noch schlimmer, wenn du dich da reinhängst. Da muss der Junge durch.
    »Willst du nicht mit den Kindern reden ?« Erna machte einen Schritt auf die Balkontür zu.
    »Nein, nein, lass nur, die müssen allein klarkommen .«
    Erna wollte etwas erwidern, aber in dem Moment kehrten die größeren Kinder aus dem Gebüsch zurück und gingen auf Martin zu. Erik schien heute der Wortführer zu sein. Der pummelige Zwölfjährige hielt so etwas wie eine Ansprache und auf Martins tränenverschmiertem Gesicht breitete sich ein strahlendes Lächeln aus. Angelika atmete tief durch und sah Erna erleichtert an. Als sie ihren Blick wieder dem Garten zuwandte, sah sie gerade noch, wie die ganze Horde die Kellertreppe hinunterstürmte und hinter der verwitterten, grauen Holztür verschwand.

     
    Katrin setzte sich auf die zierliche, weiße Bank in der hinteren Ecke des Gartens. Sie schloss sekundenlang die Augen und stellte sich vor, wie sie in einen eiskalten, klaren Bergsee tauchte. Aber die Realität holte sie sofort wieder ein. Das schwarze Kostüm kratzte am Rücken und an den Oberschenkeln. Sie blickte nach oben. Die graue Wolkendecke spannte sich wie ein bleiernes Korsett über den Himmel, so als wolle sie die Stadt in ihren eigenen Ausdünstungen ersticken. Anstatt die langersehnte Abkühlung zu bringen, konservierte die dunkle Masse die lähmende Hitze wie unter einer Saugglocke. Katrin spürte, wie ihr der Schweiß in kleinen, kitzelnden Perlen den Rücken hinunterlief. Hinter sich hörte sie gedämpftes Stimmengemurmel und das Geklapper von Geschirr.
    »Ein schrecklicher Tag.«
    Thomas Heinrich ließ sich schwerfällig neben ihr auf der Bank nieder. Er zog ein weißes Taschentuch aus der Jacketttasche, wischte sich die Stirn und stopfte es wieder weg. Katrin nickte nur. Sie war sich nicht ganz sicher, ob er die unerträgliche Schwüle meinte oder die Tatsache, dass er soeben seine Frau beerdigt hatte. Eine Weile starrten beide schweigend auf den Rasen, der trotz der anhaltenden Trockenheit saftig grün war. Die Heinrichs hatten einen äußerst pflichtbewussten Gärtner, der weder Mühen noch Wasserrechnungen scheute.
    »Ich wollte dir etwas geben«, sagte Thomas Heinrich schließlich mit rauer Stimme und hielt Katrin ein kleines, graues Kästchen hin. Er sah sie auffordernd an, und in seinem Blick lag eine grenzenlose Traurigkeit, die Katrin erschreckte. Der Studienfreund ihres Vaters sah auch mit

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