Katrin Sandmann 02 - Kinderspiel
Mutter«, sagte er heftig.
Dann erhob er sich. »Ich muss zurück zu meinen Gästen .« Er tippte mit der Hand kurz auf das Kästchen, das immer noch unangetastet auf der Bank stand, und sah Katrin bittend an. Sie nickte kaum merklich und versuchte ein schwaches Lächeln. Er lächelte zurück, wandte sich abrupt ab und ging mit langen Schritten über den Rasen zurück zum Haus.
Katrin setzte sich kerzengerade auf und lauschte in die Stille. Bestimmt hatte sie schlecht geträumt. Sie blickte auf den Wecker. Es war viertel vor zwei. Aber dann klingelte es wieder. Ein ungutes Gefühl kroch durch ihre bleischweren Glieder. Sie rollte sich schwerfällig aus dem Bett und trottete schlaftrunken in die Diele. Unbeholfen tastete sie nach dem Telefon.
»Katrin? Ich bin’s !«
»Roberta? Was ist los ?«
»Er ist schon wieder nicht nach Hause gekommen. Was soll ich nur tun? Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich -«
»Halt! Stopp. Ich verstehe überhaupt nichts .« Katrin schnappte sich das Telefon und nahm es mit ins Wohnzimmer. Sie kuschelte sich in den Schaukelstuhl, zog das Nachhemd über die Knie und deponierte den Apparat auf ihrem Schoß. »Bitte der Reihe nach, Roberta«, bat sie ihre Freundin dann. »Peter ist nicht nach Hause gekommen? Und das nicht zum ersten Mal?«
Katrin hörte einen Laut in der Leitung, der wie ein unterdrücktes Schluchzen klang.
»Er kommt schon seit Wochen oft erst sehr spät nach Hause. Das ist ja auch eigentlich nichts Besonderes. Er muss halt häufig noch irgendwelche Projekte beenden. Das war schon immer so. Aber in den letzten Tagen war es besonders oft. Und besonders spät.«
Ihre Stimme verstummte. Katrin wartete. Dann sprach Roberta weiter.
»Er hat eine Freundin. Ich weiß es. Ich habe eine Telefonnummer gefunden .«
»Eine Telefonnummer? Das heißt doch nichts .«
»Ich habe ihn gefragt, und er hat irgendeine haarsträubende Geschichte von einem alten Schulfreund erzählt, den er letztes Jahr bei der Aufstiegsfeier von Fortuna angeblich wiedergetroffen hat .«
»Letztes Jahr? Ich verstehe nicht .«
»Ich sag dir ja, es ist haarsträubend. Er behauptet, er hat diesen Freund auf dieser Fußballparty wiedergetroffen , aber danach haben sie sich nicht wieder gesehen, und dann hat er angeblich vorige Woche angerufen, weil er Hilfe braucht .«
»Was für Hilfe?«
»Keine Ahnung. Peter will mir nichts dazu sagen. Das sei etwas sehr Persönliches und er könne im Augenblick nicht drüber sprechen. Ich solle ihm vertrauen. Der hat gut reden. Ich glaub ihm kein Wort .« Roberta schnaubte verächtlich.
»Vielleicht stimmt es ja doch. Willst du nicht noch Mal mit ihm reden ?«
Katrin zog das Nachhemd enger um ihre Beine. Sie fröstelte plötzlich. Obwohl die drückende Hitze des Tages immer noch schwer in der Luft lag, strich eine Gänsehaut über ihre Arme, und sie sehnte sich nach ihrem warmen Bett.
»Ich komme morgen zu dir, Roberta. Und dann reden wir in aller Ruhe darüber. Vielleicht kann ich ja auch mal mit Peter sprechen. Bitte versuch jetzt zu schlafen .«
Nachdem sie aufgelegt hatte, huschte Katrin schnell in ihr Bett zurück. Aber sie konnte nicht einschlafen. Bilder von Robertas Hochzeit schossen ihr durch den Kopf. Es war ein stürmischer Regentag gewesen, aber Roberta hatte heller als die Sonne gestrahlt.
In den frühen Morgenstunden tapste Rupert ins Schlafzimmer und machte es sich auf Katrins Beinen bequem, jedoch nicht, ohne vorher zehn Minuten lang laut schnurrend mit den Pfoten die Bettdecke zurechtzudrücken. Katrin stöhnte, fiel in einen traumlosen Schlaf und erwachte, als ihr die grelle Septembersonne erbarmungslos ins Gesicht schien. Die düsteren Wolken vom Vortag waren spurlos verschwunden und hatten den ersehnten kühlenden Regen mitgenommen.
7
Er könnte morden, ohne dass es je jemand bemerkte. Es gab unendlich viele Methoden, das Leben eines Menschen zu beenden, indem man ihm die Luft zum Atmen vorenthielt. Das Interessante war, dass man es seinem Opfer dabei leicht machen konnte, süß und angenehm, oder aber unvorstellbar schwer. Denn es gibt zwei verschiedene Formen des Erstickens, das hypoxische und das asphyktische .
Beim hypoxischen Ersticken, etwa bei einer Kohlenmonoxydvergiftung oder beim Sterben unter einer Plastiktüte, tritt der Tod durch Sauerstoffmangel ein. Das im Körper befindliche Kohlendioxyd kann dabei aber trotzdem ungehindert abgeatmet werden. Man atmet also verbrauchte Luft aus, aber keinen frischen
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