Katrin Sandmann 03 - Wintermärchen
gekommen. Kurz vor Mettmann hatte er fünf Minuten lang hinter einem Schneeräumfahrzeug herfahren müssen, bis er die Gelegenheit hatte, es zu überholen ohne sich oder andere Verkehrsteilnehmer unnötig in Gefahr zu bringen; und auf der Bergischen Landstraße, etwa auf der Höhe des Landeskrankenhauses, hatte es einen Auffahrunfall gegeben und der Verkehr schlängelte sich nur stockend an den verbeulten Autos vorbei.
Es war immer noch dunkel, und PKW-Scheinwerfer, Taschenlampen und das blinkende blaue Licht zweier Streifenwagen erhellten das Waldstück notdürftig. Man wartete auf die Feuerwehr, die das Gelände ausleuchten sollte. Es war jetzt kurz vor sieben und es würde noch mindestens zwei Stunden dauern, bis es richtig hell war. Die Szenerie erinnerte an eine Sequenz aus einem surrealen französischen Spielfilm. Personen in Uniform und in Zivil liefen hin und her, scheinbar ziellos, doch offensichtlich einem verborgenen Plan folgend.
Halverstett stieg aus. Ein Mann kam auf ihn zu. Es war der Kollege von der Wache, der wusste, dass Halverstett eine Katrin Sandmann kannte. Er begrüßte den Kommissar und informierte ihn kurz über das, was man bisher wusste.
Halverstett wurde schlagartig bleich.
»Sie liegt dort drüben«, schloss der Polizist und machte eine vage Handbewegung. »Ich habe auf Sie gewartet. Ich wusste nicht, ob ich sie – « Er brach ab, aberHalverstett war auch so klar, was er hatte sagen wollen. Der Mann hatte Katrin ein oder zweimal gesehen, aber nur flüchtig. Er war sich nicht sicher, ob er sie erkennen würde, wenn sie tot vor ihm im Schnee lag.
Als die beiden Männer sich gerade auf den Weg machen wollten, bog ein weiteres Auto auf den Parkplatz. Die zwei Beamten, die an der Zufahrt standen, wollten den Wagen nicht durchlassen und versperrten den Weg. Halverstett gab einen gequälten Laut von sich. Er hatte damit gerechnet, dass das passieren würde, im Stillen aber gehofft, dass ihm diese Komplikation erspart bleiben möge. Er zögerte kurz, aber er wusste, dass er keine Wahl hatte. An der Seite dieses Mannes würde der ohnehin schon schwere Gang noch viel schwerer werden.
»Lasst ihn durch. Er gehört zu mir.«
Einer der Uniformierten drehte sich überrascht zu Halverstett um, aber er trat zur Seite. Manfred Kabritzky parkte den Landrover und stieg aus. Er hastete nicht wie sonst auf den Kommissar zu und bestürmte ihn mit Fragen. Stattdessen waren seine Schritte langsam, aber fest. Halverstett gab dem Kollegen von der Wache ein Zeichen. Der Mann begriff sofort und zog sich zurück, um mit den Leuten von der Spurensicherung zu reden.
Einen Moment lang standen Halverstett und Kabritzky im Schnee und sahen sich an. Keiner von beiden sprach ein Wort. Dann setzten sie sich wie auf Kommando gemeinsam in Bewegung und stapften Seite an Seite durch den Wald, auf die Stelle zu, auf die sich das Durcheinander zwischen den Bäumen konzentrierte.
Schließlich sah Halverstett die Frau am Boden liegen. Sie lag auf der Seite, das Gesicht von ihnen abgewandt, und man konnte im Dunkeln nur vage die Umrisse einer hellen Jacke und das halblange dunkle Haar sehen, das sich deutlich von dem weißen Untergrund abhob. Eine Frau beugte sich über die Tote. Auch sie war im Dämmerlicht kaum mehr als ein grauer Schatten. Man erkannte nicht viel, nur ihren rötlichen Pferdeschwanz, doch der Kommissar wusste sofort, wer sie war.
Maren Lahnstein, seit einigen Monaten die neue Leiterin des gerichtsmedizinischen Instituts der Universitätsklinik. Es gab einen jungen Staatsanwalt, Fischer, der auffallend gern mit der attraktiven Frau zusammenarbeitete. Gewöhnlich brachte es Halverstett zum Schmunzeln, zu sehen, wie der junge Kollege nervös versuchte, eine gute Figur zu machen, wenn sie gemeinsam einer Obduktion beiwohnten, obwohl ihn doch eigentlich jeder Schnitt so schmerzte, als füge man ihn ihm selbst zu.
Heute allerdings dachte Halverstett nicht an Fischer, als er die Medizinerin sah. Sein Blick streifte sie nur flüchtig und blieb dann an der leblosen Gestalt hängen, die neben ihr im Schnee lag. Jetzt drehte Maren Lahnstein sich um und sprach Halverstett an.
»Guten Morgen.«
Ihr Blick fiel auf den Journalisten und sie schwieg verdutzt.
Halverstett wandte seine Augen nicht von dem am Boden liegenden Körper ab, doch er ging nicht näher heran. Auch Kabritzky war stehengelieben. Als der Kommissar nichts erwiderte, sprach die Ärztin weiter.
»Nicht ganz einfach zu sagen, wie lange sie schon tot
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