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KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)

KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)

Titel: KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Zipfel
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auf meinem Kopf. Männlich, markant, attraktiv. Obwohl ich das vorher natürlich auch schon gewesen war, aber jetzt eben auch noch auf dem Kopf.
    »Gute Arbeit, Harry, alle Achtung!«
    Harry strahlte.
    »Und das Schönste:« erklärte er stolz sein Werk, »Sie brauchen nach dem Duschen nur mit dem Handtuch die Haare trocken zu rubbeln und das war’s dann auch schon. Wir Männer stehen doch morgens nicht so gerne im Bad und stylen ewig lange unsere Haare, gelt? Zumindest die meisten von uns nicht, ha ha ha!«
    Auch wenn Harry in dieser Hinsicht zweifelsohne zu den Ausnahmen gehörte – er hatte recht. Ich zwinkerte ihm im Spiegel zu, als hätte er soeben eines meiner dringendsten Probleme gelöst.
    Handtuch abgenommen, Kratzkrepp abgefummelt, blaues Lätzchen weg. Ich bedankte mich artig bei Harrys Omi und ging mit dem Maestro zur Kasse. 22,50 Euro, Sonderpreis für den Journalisten aus München.
    »Vielleicht bringt Ihr ja auch mal eine Story über Coiffeure in der Provinz. Wäre schön, wenn Sie dann an mich denken würden!« sagte Harry etwas verlegen, hoffnungsvoll und scheu. Ich konnte mir nicht helfen, aber in diesem Moment fand ich ihn fast liebenswert.
    »Schauen wir mal, was sich machen lässt!«, murmelte ich vieldeutig, bevor ich mit neuen Infos im neu gestylten Kopf »Harry’s Haar-Studio« verließ.

12
    Rosenheim bereitete sich auf den Feierabend vor. Man merkte das daran, dass sich eine gewisse Unruhe in die Langeweile schlich, beim Schichtwechsel zwischen den Läden, die bald schließen würden, und den Kneipen, Gasthäusern und »Ristoranti«, die auf hungrige und durstige Besucher hofften.
    Auf dem Weg zum Rosenheimer Tagblatt machte ich einen Schlenker über den Max-Josefs-Platz. Dort fand ich nach kurzer Suche den ehemaligen Lebensmittelladen, in dem Maria Bunzenbichler sich nachmittags ein paar Groschen verdient hatte. Es war ein Laubfrosch-grünes Gebäude, kleiner als seine Nachbarn und auch nicht ganz so gut in Schuss. Über dem Eingang waren noch die verwitterten Buchstaben ».EIN.OST-THAL...ER« zu erkennen. Jetzt residierte hier die Filiale einer Drogerie-Kette, deren Erfolgsprinzip ihre Allgegenwärtigkeit war. Unausweichlich und unübersehbar: Von den Millionen Farbtönen, die das Spektrum so hergab, hatte man sich als Markenfarbe ausgerechnet genau jenes kalt leuchtende Blau ausgesucht, das an keinem Ort der Welt mit irgendetwas in seiner Umgebung kompatibel war – krätzige Furunkel jeder Fußgängerzone und Ladenpassage. Aber für jeden immer gleich um die Ecke, und darauf kam es an.
    Ich beendete meinen Abstecher und ging zum Verlagshaus des Rosenheimer Tagblatts. Nun ja, Verlagshaus war vielleicht etwas übertrieben. Die Lokalredaktion war genau genommen in einer Art Laden-Lokal untergebracht, das nicht viel größer war als »Harry’s Haar-Studio«, nur weniger schick.
    Im Schaufenster hingen die Seiten der heutigen Ausgabe. Mal gucken. Auf der Titelseite große Politik und Katastrophen, eine Kombination, die auf den zweiten Blick eine Menge Sinn machte.
    Auf dem Aufmacherfoto tauschten Frankreich und Deutschland anlässlich eines Staatsbesuchs Zärtlichkeiten aus. Das heißt, natürlich nicht die Länder selbst, sondern ihre regierenden Repräsentanten: ein kleines, lustiges, zartgliedriges Kerlchen und eine weniger kleine, weniger lustige und weniger zartgliedrige Frau in weiter Hose und engem Jackett, ein malvenfarbener Traum. Ich konnte mir die beiden gut privat vorstellen, auf ihrer abbezahlten Couch, abends vor dem Fernseher. Eines jener unzähligen Ehepaare, die in den gemeinsamen Jahrzehnten fast vergessen hatten, wie überdrüssig sie einander geworden waren.
    Auf Seite zwei war eine Ölförderanlage explodiert. In Saudi-Arabien. Man wusste noch nicht genau, ob ein Versehen, ein blöder Zufall oder ein gezielter Anschlag dahinter steckte. Für die Opfer war’s egal, sie waren so oder so für nichts und wieder nichts erstickt, verbrannt oder zerfetzt worden. Immerhin, so hieß es, sei »die Ölversorgung durch diesen Zwischenfall nicht ernstlich bedroht«. Und das war ja schließlich die Hauptsache.
    Auf Seite drei wurde es dann wieder lustig: ein fröhliches Wiedersehen zweier guter, alter Bekannter – Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder und Wladimir Putin, sein russischer Freund aus Vorstandsetagen und Aufsichtsräten, in denen sie sich gegenseitig vorstanden und beaufsichtigten. Figuren aus einer Zeit, in der die Politik noch so richtig Spaß gemacht hatte. Und in

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