KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)
»Abrakadabra-sisel-susel-sasel-ich-bin-ein-verwunschener-Prinz-und-du-darfst-dir-vielleicht-bald-was-wünschen« sagen können, die Wirkung wäre die gleiche gewesen.
»Natürlich, kein Problem! Ich freue mich doch immer, wenn ich einem Kollegen helfen kann. Und außerdem dürft Ihr in München schon wissen, dass auch von uns Journalisten auf dem Land gute Arbeit geleistet wird!«
»Klar, weiß ich doch schon lange!« zwinkerte ich ihm zu.
Haunerdinger verschwand mit dem Aktenordner wieder im Nebenraum. Wieder fiel etwas auf den Boden, begleitet von einem leisen Fluchen, dann das Geräusch eines Kopiergeräts. Nach ungefähr einer Minute erschien er mit einem braunen DIN A4-Umschlag erneut am Tresen.
»Bitte, da ist alles drin. Foto und Fotokopien. Alles porto-, honorar- und gebührenfrei. Service des Hauses.«
»Perfekt. Vielleicht kann ich mich dafür ja mal erkenntlich zeigen, wer weiß.« Ich nestelte in meinen sämtlichen Taschen herum. »Immer dasselbe, natürlich mal wieder keine Visitenkarten dabei. Na, macht ja nichts. Würde sagen, wir bleiben eh in Verbindung, oder?«
Heftiges Kopfnicken mit geäderter Nase, und ich sah zu, dass ich Land gewann, und zwar so plötzlich und geschäftig, dass Hubert »Hubsi« Haunerdinger vor lauter Verblüffung nicht mehr auf die Idee kommen konnte, mich nach Adresse oder Telefonnummer des Verlags »Morelli & Katz« zu fragen.
13
Der rustikale Gastraum des »Goldenen Hirschen« war um diese Zeit, kurz nach sieben, längst nicht mehr so verwaist wie noch am Nachmittag. Ich saß mit Fräulein Maggi an meinem Ecktisch. Bei genauerer Betrachtung stellte sich heraus, dass sie auch nicht mehr die Jüngste war.
Beim Wirt, der mich – warum auch immer – jetzt schon wie einen alten Bekannten begrüßte, bestellte ich ein Bier, und zwar diesmal nicht alkoholfrei, und fragte ihn, ob er noch zwei Einzelzimmer frei hätte. »Freilich habe er noch zwei Zimmer frei, sogar ganz frisch renoviert seien die, mit Dusche, Fernseher und allem Komfort, und das Frühstück sei im Übernachtungspreis von 55 Euro auch schon drin«. Das fand ich fein.
Ich öffnete den braunen Briefumschlag mit den Haunerdingerschen Unterlagen und schaute zuerst noch mal die Fotos vom Unfallort an. Auf Anhieb gab es drei Sachen, die mich irritierten. Zum einen kam es mir ziemlich komisch vor, wie Bunzenbichler im Straßengraben lag. Ich stellte mir die Situation vor: Jemand, der hackeknüllevoll ist, gerät ins Straucheln und fällt hin. Am wahrscheinlichsten doch vornüber, oder? Sackt vielleicht auch in sich zusammen und knickt dann zur Seite weg. Aber nach hinten, auf den Rücken? Dazu musste Bunzenbichler zuerst auf den Hintern gefallen sein, dann das Gleichgewicht verloren haben, hintenüber gekippt und dann mit dem Kopf auf einen Stein geknallt sein. Es sei denn, irgendetwas hatte ihm schlagartig die Beine unter dem Hintern weggerissen. Nun gut, konnte sich natürlich auch so abgespielt haben. Aber hätte er dann, trotz Suff, nicht ganz instinktiv versucht, sich mit den Armen abzufangen, und wäre ihm das nicht zumindest so weit gelungen, dass er den Aufprall etwas hätte abmildern können? Bildete ich mir zumindest ein. Außerdem würde er in diesem Fall nicht auf seine Arme gefallen sein. Genau so aber lag er da.
Zum Zweiten fiel mir auf, dass das Gras rund um die Leiche niedergetrampelt war. Bunzenbichler war am frühen Morgen gegen vier Uhr gefunden worden. Kaum anzunehmen, dass zu dieser Zeit schon Horden von Bierfahrern, die alle mal pinkeln mussten, sich an genau dieser Stelle herumgetrieben hatten. Und es war ja wohl auch nicht anzunehmen, dass Bunzenbichler erst mal hin und her und vor und zurück gelatscht war wie ein Hund, der sich ein gemütliches Nestchen baut, um dann zu stürzen und mit dem Kopf auf einen Stein zu schlagen. Apropos Stein! Das war der dritte Punkt: Einen Stein konnte ich auf keinem der Fotos entdecken.
Die Sache wurde auch nicht klarer, als ich Haunerdingers Artikel las. Waren zwar sauber recherchiert und gut geschrieben, soweit ich das beurteilen konnte, logisch aufgebaut, informativ, fast schon spannend. Ließen aber trotzdem jede Menge Fragen offen: Wo hatte Bunzenbichler sich dermaßen betrunken? Am Straßenrand jedenfalls nicht, waren ja keine Flaschen gefunden worden. Und für nahezu vier Promille braucht es eine ganze Menge Flaschen! War er in einer Kneipe gewesen, hatte er sich im Supermarkt mit dem Alkohol eingedeckt, hatte ihn jemand dabei gesehen und wenn
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