KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)
traumatisiert hat.«
»Maria hatte damals einen Freund hier aus der Gegend: Toni Mooseder. Haben Sie den vielleicht auch gekannt?«
»Den Mooseder-Toni? Aber sicher. Das war schon so ein Wilder.« Annerose Brandner begann plötzlich zu lachen, verstummte aber, ebenso plötzlich, in der nächsten Sekunde. »Der hat doch tatsächlich mal auf dem Lehrer-Klo Mikrofone installiert und sie mit den Lautsprechern in unserer Aula verbunden. Irgendwann fiel einem Kollegen auf, dass in den Pausen neuerdings so wenig los war auf dem Schulhof. Und wissen Sie warum? Die Schüler versammelten sich klammheimlich in der Aula und lauschten den recht intimen Sitzungen des Kollegiums. ›Aktuelles von unserem Leer-Körper‹ nannte Mooseder seine ... na, wie soll ich sagen: Direktübertragungen? ... und hat dann auch noch Punkte vergeben für ›Haltung‹, ›Ausführung‹, ›Ausdauer‹ und ›akustischen Ausdruck‹. War natürlich jedes Mal ein großes Gejohle in der Aula, können Sie sich ja denken, deshalb sind wir letztendlich auch dahinter gekommen. Mooseder ist dann kurze Zeit später von der Schule verwiesen worden. Ich war die Einzige, die dagegen gestimmt hat. Eine strenge Ermahnung hätte meiner Meinung nach auch ausgereicht. Die Kollegen haben mir damals vorgeworfen, ich wäre zu weich und nachgiebig. Tun manche heute noch. Aber wer weiß, vielleicht war ich ja tatsächlich etwas parteiisch?«
»Inwiefern?«
»Weiß nicht. Vielleicht, weil ich in Mooseders Rundfunksendungen immer die Höchstnoten für Pflicht und Kür bekommen habe?« Annerose Brandners Augen blitzten mich schelmisch an und ich fand sie in diesem Augenblick ungeheuer sympathisch.
»Und wie war die Beziehung zwischen Mooseder und Maria Bunzenbichler?«
»Weniger lustig, fand ich. Es gab da so eine Abhängigkeit von seiner Seite, die ich nicht mehr ganz normal fand. In einem anderen Alter und in einem anderen Zusammenhang hätte man das fast als Hörigkeit bezeichnen können. Bei der Maria war der Toni lammfromm, obwohl er ansonsten ein Hitzkopf vor dem Herrn sein konnte. Aber, ich sag es nicht gerne, die Maria hat ihn doch auch ziemlich benutzt, hatte ich jedenfalls den Eindruck. Ich bin mir noch nicht mal ganz sicher, ob die Idee mit den Mikrofonen auf dem Lehrer-Klo in Wirklichkeit nicht auf ihrem Mist gewachsen war. Zuzutrauen gewesen wäre es ihr, das auf jeden Fall. Sie hatte es nämlich manchmal ganz schön faustdick hinter den Ohren!«
»Meine letzte Frage: Sie erwähnten eben den Unfall von Marias Vater. Wissen Sie darüber irgendetwas Genaueres?«
»Nein, überhaupt nichts. Tut mir leid.«
»Das braucht es nicht. Sie haben mir auf jeden Fall schon sehr geholfen, Frau Brandner. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben!«
Als wir zu Sonia und den Kindern zurückkehrten, herrschte noch immer Mucksmäuschenstille. Das änderte sich schlagartig, als Annerose Brandner wieder das Regiment übernahm. Oder besser: hätte übernehmen wollen. Noch besser wäre es für sie aber gewesen, wenn Wollinsky seinen Sportunterricht gefälligst selbst abgehalten hätte.
Wir verabschiedeten uns mit einem Winken von den Kindern und ihrer Lehrerin, die erfolglos versuchte, wieder Ordnung in das neu entstehende Chaos zu bringen, verließen die Turnhalle durch den miefigen Umkleideraum und gingen zum Wagen. Auf dem Weg dahin plagte mich dann doch die Neugier.
»Was haben Sie den Kindern bloß erzählt, dass die so kreuzbrav waren?«
»Etwas, wofür man mich sofort hätte wegsperren lassen, wenn die Zuhörer Erwachsene gewesen wären ...«
»... nämlich? ...«
»... nämlich die aufregenden und vielleicht sogar tragischen Hintergründe unseres aktuellen Falls: die Entführung eines Dobermanns, der Gottfried heißt und sich vor allem fürchtet, ein rosarotes Halsband mit einem Medaillon trägt und Sommersprossen im Ohr hat. Die Kinder haben übrigens keine Sekunde lang daran gezweifelt, dass Gottfried tatsächlich entführt worden sein könnte. Und fanden es total richtig, dass sich endlich auch mal jemand um solche Fälle kümmert.«
Ach ja, Gottfried! Mein vierbeiniges Sorgenkind, das gerade in der Gewalt skrupelloser Hundeentführer schmachtete. Oder der Liebe seines Lebens begegnet war und dann den Weg nach Hause nicht mehr gefunden hatte. Vielleicht hatte er es aber mittlerweile auch zum Vorsitzenden einer Selbsthilfegruppe für angstgeplagte Wachhunde gebracht. Oder war mit seinem rosaroten Halsband in gänzlich andere Schwierigkeiten
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