KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)
Haare – sagen wir: schwarz – und verklagen dann jeden, der zu behaupten wagt, sie hätten sich die Haare schwarz gefärbt. Durch alle Instanzen, bis zum bitteren Ende – man gönnt sich ja sonst nichts. Frauen sind da, wie so oft, total anders. Die färben sich die Haare, wie sie Autos einparken: konsequent, ohne Fisimatenten oder schon gleich ohne falsche Rücksichten. Gibt manchmal eine Delle, ist öfters nicht frei von verzweifeltem Trotz und blockiert schon mal den gesamten Verkehr – egal, Hauptsache: drin! Mit den grauen Haaren das Gleiche: entweder dazu stehen, okay, oder: Radikallösung. Nicht lange rummachen, nicht verschämt kaschieren, sondern gleich richtig färben, und zwar R-O-T! Braucht keiner erst blöde zu fragen, weiß jeder gleich Bescheid, ist wie bei einer roten Ampel. Da gibt’s auch nichts zu diskutieren, da musst du eben halten, ob’s dir passt oder nicht. Signalwirkung, deswegen auch für die Haare genau diese Farbe.
Annerose Brandner blinzelte jetzt etwas irritiert zu mir hoch. Kein Wunder, sie streckte mir schon die ganze Zeit erwartungsvoll die Hand hin und ich sinnierte über ihre Haare!
Ich gab ihr schnell die Hand.
»War ganz schön knapp, was? Aber zum Glück ist ja nichts passiert.«
»Ja, Gott sei Dank! Sie sind wirklich genau im richtigen Moment gekommen. Nochmals: vielen Dank!«
»Sie könnten mir im Gegenzug übrigens auch ein wenig helfen«, sagte ich, während ich mir die Schuhe wieder anzog.
»Gerne. Und wie, Herr ... ?«
»Katz, Arno Katz. Ich bin Detektiv und ermittle in einem Fall, in dem eine ehemalige Schülerin von Ihnen eine gewisse Rolle spielt – Maria Bunzenbichler.«
Ringsherum Kindergewisper. Ein Detektiv, das war doch mal was! Mensch, der hatte bestimmt viel mit Verbrechern zu tun und vielleicht sogar schon mal eine Leiche gesehen! War ja wie im Fernsehen!
»Ach ja, die Maria. Ich erinnere mich gut an sie. Aber das ist doch schon so lange her, wie kann ich Ihnen da jetzt noch helfen?«
»Wahrscheinlich viel leichter als Sie denken, nämlich indem Sie mir ein paar Fragen beantworten. Dauert auch nicht lange.«
»Da müssen Sie sich aber leider bis zum Ende der Stunde gedulden, Herr Katz. Ich kann die Kinder nicht ohne Aufsicht lassen. Sie haben ja gesehen, was die so alles anstellen.«
Annerose Brandner klatschte in ihre Hände. Ein Versuch, Autorität zu beweisen, der sich aber in den Weiten der Halle kläglich verlor.
»So, Kinder, jetzt bringt ihr bitte zuerst mal die Matte wieder weg!«, rief sie.
Man konnte nicht gerade behaupten, dass ihrer Aufforderung unverzüglich Folge geleistet wurde oder genauer: Die Kinder starrten Sonia und mich mit neugierigen Augen an und taten – überhaupt nichts.
»Was die Aufsicht angeht, könnte ich ja vielleicht einspringen«, sagte Sonia. »Das heißt, wenn Sie nichts dagegen haben. Ist ja nur für eine Viertelstunde oder so.«
Annerose Brandner zögerte, was sie anscheinend oft tat, und stand deshalb in der nächsten Sekunde vor vollendeten Tatsachen, was ihr anscheinend ebenso oft passierte.
»Also, Kinder, wenn ihr die Matte weggeräumt habt, erzähle ich euch eine spannende Geschichte. Unser neuester Fall, noch ein absolutes Geheimnis. Und ihr seid die Ersten, die davon erfahren«, übernahm Sonia das Kommando.
Das zog! Die Matte wurde in Windeseile davon gezerrt. Als Annerose Brandner und ich die Turnhalle verließen, um uns ein ruhigeres Plätzchen zu suchen, sah ich Sonia mit ihrem weiß-rot gepunkteten Sommerkleid und dem dicken Zopf im Kreis der Kinder stehen, die sich mit glühender Neugier um sie herum versammelt hatten. Sah irgendwie aus wie Schneewittchen und die sechsundzwanzig Zwerge, fand ich.
Zwei Minuten später saßen Annerose Brandner und ich uns gegenüber, auf den zweckmäßigen, aber reichlich unbequemen Holzbänken des Umkleideraums. Die zierliche Lehrerin, auf deren Kosten man nicht nur im Lehrerzimmer so herrlich gefahrlos seine Späße machen konnte, berührte gerade mal die vorderste Kante der Sitzbank, die gepflegten, schon ein wenig runzligen Hände auf die Oberschenkel gelegt, mit den geöffneten Handflächen nach oben. Im grünlich-kalten Neonlicht leuchteten ihre Haare wie das Feuer eines gut geheizten Kamins.
»Also, Herr Katz, was möchten Sie denn wissen über die Maria?«
»Mich würde vor allem interessieren, wie Sie Maria damals erlebt haben. Auch als Schülerin natürlich, aber nicht nur.«
»Die Maria war eines der Kinder, die einem als Lehrerin viel
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