KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)
Unfall-Version?«
»Denke schon. Und wenn ich mir überlege, was Maria Bunzenbichler so alles durchgemacht hat, dann kann ich mit dieser Version eigentlich auch ganz gut leben.« Ich sah zum Kellner und gab ihm ein Zeichen, die Rechnung fertigzumachen.
»Und wie ist es mit Ihnen?«, fuhr ich fort.
Sonia zögerte eine ganze Weile, und ich wusste genau, welche Gedanken ihr jetzt durch den Kopf gingen. Sicher die gleichen, mit denen ich mich auch schon herumgequält hatte. Schließlich sagte sie leise, aber bestimmt: »Ich glaube, das kann ich auch.«
»Gut, dann sollten wir uns jetzt darauf konzentrieren, ob diese Geschichte etwas mit dem mysteriösen Brief an Jüjü Lappé zu tun haben könnte. Deshalb werden wir als Nächstes ...«
»... halt, lassen Sie mich raten! Deshalb werden wir uns als Nächstes diesen Toni Mooseder vornehmen, stimmt’s?«
»Ganz genau! Wir statten dem Sägewerk der Mooseders einen hoffentlich lehrreichen Besuch ab. Zwei Münchner Journalisten – ein neugieriger Schreiber mit Spitzenfrisur und eine überaus attraktive Fotografin!«
Sonja grinste, ich zahlte und wir machten uns auf den Weg zum Auto.
18
Wir passierten das großspurige Eingangsportal des Moosederschen Sägewerks und fuhren durch eine Allee aus Brettern, Latten, Pfählen, Palisaden, Balken, Bohlen und Dielen, die, akkurat bearbeitet, veredelt und gestapelt, auf ihren Abtransport warteten. Hier lagerte das Rohmaterial für jede Menge hölzerner Wohnträume – Türen, Stühle, Schränke, Treppen, Terrassen, Balkone, Fassaden und natürlich solide Dachbalken, die später einmal im Halbdunkel auf unvorsichtige Schädel lauern würden.
Ich parkte den Volvo, wir stiegen aus und gingen zu Fuß weiter. Vereinzelt werkelten Mitarbeiter, stapelten Bretter, bedienten gigantische Maschinen oder – ein Vorurteil wahrscheinlich, aber es sah so aus – standen einfach nur fachmännisch herum. Aber alle beobachteten mit gar nicht hölzerner Neugier die beiden Besucher, denen man schon von Weitem ansah, dass sie nicht von hier waren. Genau genommen betrachteten sie die Besucherin in ihrem leichten Sommerkleid, das wie ein verspieltes Kätzchen um lange, schlanke Beine strich. In diesem Moment wurde mir klar, warum Leuten aus einem Sägewerk schon mal ein Finger fehlte. Konnte nicht ausbleiben, wenn Besuch aus der Stadt kam, vor allem solcher.
Am Ende unseres Holzwegs erreichten wir das zweistöckige Büro- und Wohngebäude, das ebenfalls komplett, oder doch wenigstens fast komplett, aus Holz bestand. Na ja, woraus auch sonst!
Im Büro saß eine pummelige Dorfschönheit mit hell gefärbten Strähnen in dunkelblondem Haar, einem kurzen Hals, großer Oberweite und noch größerer Unterweite. Dazu ein entschieden zu kurzer Rock, der lautstark bestätigte, was ich schon immer wusste: Nicht jedes Bein, nicht jeder Hintern liebt kurze Röcke oder enge Hosen. Aus ihrem angewidert-gelangweilten Gesichtsausdruck und ihrer Arbeitsgeschwindigkeit war zu schließen, dass sie, aus welchem geheimnisvollen Grunde auch immer, unkündbar sein musste – oder die Tochter des Besitzers.
»Grüß Gott, Gnädigste! Wir würden gerne einen Augenblick mit Herrn Toni Mooseder, sprechen. Geht das wohl?«
Ihr Mienenspiel, nach wie vor angewidert und gelangweilt, bekam jetzt zusätzlich noch etwas Spöttisches. Damit präsentierte sie uns auf einen Schlag alle Gesichtsausdrücke, die sie im Laufe eines Tages so brauchte.
»Der Toni is net do!« Sie schaute auf die zierliche Armbanduhr an ihrem speckigen Handgelenk. »Der is beim Oazt, kimmt aber glei wieder. Sie können drauß’n woat’n, bittschön!«
Mir war klar, dass wir mit dieser Auskunft das Maximum an Hilfsbereitschaft und Engagement aus ihr herausgekitzelt hatten. Und weil man es nicht übertreiben sollte, nickten Sonia und ich uns stumm zu und folgten brav ihrer Anweisung. War außerdem sowieso schöner draußen, schien nämlich die Sonne.
Wir setzten uns auf eine Bank vor dem Bürogebäude und gaben uns beide der einschläfernden Stimmung hin. Die Wärme, die Geräusche und der intensive Geruch von sterbendem Holz verschmolzen zu einem flauschigen Teppich, auf den ich mich, leicht betäubt mit einem Spritzer Chloroform, hätte niederlassen mögen für ein kleines Nickerchen.
Kurz bevor mir tatsächlich die Augen zufielen, näherte sich endlich der Mooseder Toni. Das heißt: Zuerst war er nur zu hören. Ein dunkles Tak-Tak-Tak kündigte seine Ankunft an, hin und wieder unterbrochen von
Weitere Kostenlose Bücher