KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)
auch nicht. Auf jeden Fall war es nicht der Klempner.«
»Aha. Wie sah er denn aus?«
»Also er war ziemlich groß und ziemlich alt. Mindestens schon Mitte dreißig oder so. Und er hatte so ’nen eckigen Kopf mit ’nem schwarzen Vollbart. Und wahrscheinlich war er Motorradfahrer. Er lief nämlich in einer Lederkluft ’rum. Ich habe durchs Küchenfenster beobachtet, wie der Typ und meine Stiefmutter auf der Terrasse saßen und über irgendetwas tuschelten. Er legte dauernd seine Riesenpranke auf ihr Knie und sie legte dauernd die Pranke zurück auf den Tisch. Gott, wie peinlich! Dabei war ihr zimperliches Getue sowieso umsonst: Ich war mir nämlich sofort sicher, dass die beiden sich schon lange kennen. Bestimmt Jugendfreunde oder so was. Wahrscheinlich treiben sie es auch miteinander. Bäh, widerlich!«
»Und woraus schließt du das?«
»Schließen, schließen! Brauche ich nicht zu schließen. Eine Frau fühlt so etwas. Wir haben dafür eine Antenne, und zwar genau hier ...« Vanessa legte sich theatralisch die rechte Hand flach auf die Brust, »... wo die meisten Jungs einen Sack Murmeln haben.«
Eine Frau fühlt so etwas! Das war der ultimative Gottesbeweis und jedes sachliche Argument dagegen von abgrundtiefer Nutzlosigkeit. Ich beschloss deshalb, diesen schmalen Weg durch sumpfiges Gelände schnellstmöglich zu verlassen.
»Eins ist mir nicht so ganz klar. Ich meine, ist doch ziemlich unwahrscheinlich, dass deine Mutter so unvorsichtig sein soll, einen Liebhaber hierher einzuladen, findest du nicht? Gibt hier doch jede Menge unerwünschter Zeugen. Dich zum Beispiel.«
»Ja, da hatte sie sich wohl gründlich verrechnet. Sollte nämlich eigentlich gar keiner da sein um die Zeit. Elfriede hatte ihren freien Tag, Karl war mit irgendeinem Auftrag unterwegs und ich hatte eigentlich Ballettunterricht. Ich war aber nicht beim Ballettunterricht. Unpässlich.«
»Kommt anscheinend öfters vor, was?«
Vanessa musterte mich ausgiebig. In ihrem Blick lag eine Mischung aus Verwunderung, Belustigung und grenzenloser Nachsicht.
»Wenn du es ganz exakt wissen willst, Arno: So ziemlich genau monatlich.«
»Schon klar, schon klar! Und was passierte dann weiter?«
»Nichts. Aber mir hat’s gereicht. Ich fand das Ganze nur ungeheuer unfair meinem Vater gegenüber. Ihn mit so einem Typen zu betrügen, meine ich. Andererseits: Ich hatte ja sowieso noch ein Hühnchen mit ... ihr ... zu rupfen.«
»Und da bist du dann auf die glorreiche Idee mit dem Brief gekommen, stimmt’s?«
»Da noch nicht. Ich blödes Huhn hab meiner Stiefmutter gesagt, dass sie verschwinden soll oder dass ich sonst alles meinem Vater erzähle.«
»Und, wie hat sie reagiert?«
»Die ist ganz eiskalt geblieben, dieses Miststück. Die hat nur gesagt: ›Das würdest du aber bitter bereuen, meine liebe, kleine Vanessa‹!«
»Ach so, und deshalb sollte das Ganze dann lieber anonym ablaufen, richtig? Und einen Trottel, der am Ende die Sache für dich ins Rollen bringt, würdest du dann schon noch finden ...«
Vanessa sah mich empört an. »Ich halte dich überhaupt nicht für einen Trottel!«
»Besten Dank. Tröstet mich sehr! Und wie war das jetzt mit Gottfried? Wie bist du auf diese grandiose Idee gekommen, dein Hund wäre entführt worden?«
»Ach Arno, jetzt denk doch mal nach. Was hab ich denn, was meine Stiefmutter als Druckmittel gegen mich einsetzen kann?«
»Dein geliebtes Hündchen.«
»Eben! Und deshalb glaube ich auch immer noch, dass Gottfried entführt worden ist und diese alte Ziege dahintersteckt.«
»Na, jetzt mal halblang. Übrigens, nur zu deiner Information: Die ›alte Ziege‹ hat auch einen richtigen Namen. Sei doch so liebenswürdig, den zu benutzen, wenn du mit mir über deine Stiefmutter sprichst, okay? Und bei der Gelegenheit könntest auch noch so nett sein, mir eine Frage zu beantworten, die mich schon seit einiger Zeit beschäftigt: Woher hattest du die Infos über deine Stiefmutter? Schließlich ist diese Geschichte mit dem mysteriösen Unfall im Straßengraben außerhalb von Rosenheim und Prutting niemandem bekannt.«
Vanessa sah mich an, als hätte ich gerade vor ihren Augen nach einer Fliege geschnappt und diese genüsslich verspeist.
»Hä? Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr. Welcher Unfall in welchem Straßengraben?«
Ich nahm den Brief und deutete mit dem Zeigefinger auf den Satz: »Und sie hat jemanden auf dem Gewissen!«
»Das meine ich. Woher hast du diese Info?«
»Aber damit meinte ich
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