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KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)

KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)

Titel: KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Zipfel
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fast das Herz stehen blieb, und nahm dann einen dicken, in braunes Leder gebundenen Katalog heraus. Mit dem kehrte er zurück zum Sofa.
    »Suchen Sie sich eins aus, Katz! Am besten eins aus den ersten zwanzig Seiten. Die kann ich Ihnen besonders günstig anbieten. Und seien Sie mir nicht böse, aber die sind alle um einiges besser als das Ihre.«
    Ich blätterte den Katalog durch. Lauter Gesichter von Prominenten. Die meisten waren schon tot und wahrscheinlich deshalb in der Abteilung für Sonderangebote gelandet. Wer wollte schon so aussehen wie ein toter Promi? Selbst bei den meisten lebenden wäre es ja schon eine Zumutung. Als ich gerade dankend ablehnen wollte, entdeckte ich das Porträt von Brad Pitt. Musste wohl ein Irrtum sein, denn der lebte ja noch und sah eigentlich auch gar nicht mal so schlecht aus.
    »Wenn schon, dann den!«, sagte, ich. »Wäre außerdem am wenigsten Arbeit für Sie, denke ich.«
    Jüjü grinste.
    »Den wollen alle, mein Lieber! Die Sache hat nur einen Haken: Brad Pitt gibt’s nur ohne Betäubung. Für die Schönheit muss man eben leiden. Sonst weiß man’s nicht richtig zu schätzen. Mein Motto!«
    Ich winkte ab. War ja sowieso alles Blödsinn. Ich schielte auf den Humidor vor mir.
    »Wenn Sie mir unbedingt eine Zigarre anbieten möchten, würde ich nicht ablehnen«, sagte ich.
    »Bitte bedienen Sie sich!«
    Ich öffnete das Schatzkästchen. Statt der Zigarren lagen, wild durcheinander, lauter Finger in der sorgsam befeuchteten Kiste. Mittelfinger, Ringfinger mit und ohne Ring, lange, kurze, dicke, dünne, glatte und runzlige mit tausend Fältchen. Dazwischen zwei Daumen und – als wäre er nicht schon einsam und benachteiligt genug – ein kleiner Finger, dem das erste Glied fehlte.
    »Wozu brauchen Sie die denn?«, fragte ich und war, zu meinem eigenen Erstaunen, über den Anblick in keinster Weise erstaunt.
    »Haben Sie eine Ahnung, Katz, wie oft die Leute einen Finger verlieren? Beim Sägen abgetrennt, von plötzlich zugeschlagenen Türen zerquetscht, vom Rasenmäher zerhäckselt? Und dann wollen sie natürlich einen neuen, ist ja klar. Aber die wenigsten bringen ihren abgetrennten Finger in einer Plastiktüte mit. In brauchbarem Zustand, meine ich. Ja, und dafür habe ich hier eben mein kleines Ersatzteillager, wie jeder gute Handwerker.«
    Leuchtete mir ein. Ich klappte den Humidor wieder zu.
    »Überlegen Sie sich das noch mal mit dem neuen Gesicht, Katz! Dreißig Prozent Rabatt könnte ich Ihnen geben, unter Freunden. Aber das ist mein letztes Wort!« sagte Jüjü und verließ sein Büro.
    Ich nickte und streckte mich auf der Couch aus. War eigentlich recht bequem, das Ding, stellte ich fest. Machte einen aber irgendwie auch ganz schön müde.
    Im Unterbewusstsein hörte ich eine Stimme. Ich öffnete die Augen. Anscheinend war ich eingeschlafen, denn durch die Fenster konnte ich sehen, dass es draußen stockfinster geworden war. Dann sah ich Honigmelönchen auf mich zukommen. Splitterfasernackt, bis auf ein Paar hochhackiger Pumps, die immer höher wurden, je mehr sie sich der Couch näherte. Heiliger Paradiesapfel – und ich machte das Blödeste, was man in einer solchen Situation tun konnte: Ich schloss die Augen und wartete einfach nur ab! Ich hörte und spürte, wie sie näher und näher kam, mich zuerst sanft, dann etwas kräftiger an der Schulter berührte und mir schließlich ins Ohr flötete: »Haalllooooo, aufwachen!«
    In meine Nase kringelte sich ein betörender Duft von Parfüm und frisch gekochtem Kaffee. Ich öffnete die Augen und – sah Sonia neben dem Sofa stehen.
    »Na, doch wohl nicht etwa zu Hause rausgeflogen?«, fragte sie.
    Ich musste mich erst einmal gründlich umsehen, um zu ergründen, wo ich eigentlich war. Jedenfalls nicht in Jüjüs Sanatorium. Sondern in meinem Büro. Logo.
    »Konnte nicht schlafen. Hab mich deshalb heute Nacht ein bisschen mit der Lappé-Sache beschäftigt« hörte ich mich schließlich sagen und fand, dass das eigentlich ganz schön beeindruckend klang. Dass ich vorher durch die nächtliche Stadt gefahren war und glaubte, sie im Glockenbachviertel und in Begleitung gesehen zu haben, sagte ich natürlich nicht.
    Und überhaupt: Wenn ich in diesem Moment nicht so sehr mit mir selbst und meinem ersten Fall beschäftigt gewesen wäre, dann wäre mir sofort aufgefallen, dass Sonia heute anders wirkte als sonst. Nicht so unbeschwert, sondern verhalten, irgendwie traurig, fast verletzt. Und mir hätten sofort die hässlichen blauen

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