Katz und Maus. Rowohlt E-Book Only: Eine David Hunter Story (German Edition)
denke ich, wenn das Bein, das Sie gefunden haben, ihres sein könnte. Aber wie die Dinge liegen …» Ward zuckte die Achseln und machte einem Spurensicherer ein Zeichen, den Einkaufsbeutel und den Rinderknochen mitzunehmen. «Gut, wir schaffen das Ding ins Labor und warten ab, was die da feststellen. Haben Sie noch mal darüber nachgedacht, was ich heute Morgen sagte? Warum jemand so ein Katz-und-Maus-Spiel mit Ihnen treiben könnte?»
«Ich wüsste immer noch nicht, wer das sein sollte.»
Jetzt noch weniger als vorher. Ich hatte einmal an einer Ermittlung gearbeitet, bei der ein Mörder aus krankhafter Lust an der Provokation absichtlich Tierknochen am Tatort hinterlassen hatte, aber die waren auf den ersten Blick menschenähnlich gewesen. Beim Vorderbein einer Kuh war eine solche Verwechslung unmöglich.
Was also war das Motiv?
Ward seufzte. «Na schön, überlegen Sie weiter. Wir werden uns mit Ihren Nachbarn unterhalten, vielleicht hat ja einer was gesehen. Im Moment scheint das Interesse jedenfalls groß zu sein.»
Sie hatte recht. In den umliegenden Häusern guckten Leute aus Fenstern und Türen. Die Verheißung, vom wirklichen Leben unterhalten zu werden, hatte sie von ihren Fernsehern weggelockt.
«Das hat mir gerade noch gefehlt», sagte ich. «Ich habe schon von der Nachbarschaftswache Druck bekommen.»
«Gibt’s eine hier in der Gegend? Davon hat niemand was gesagt, als wir heute Morgen nach Zeugen gesucht haben.»
«Ich glaube, sie ist neu. Er hat gesagt, er wollte eine organisieren.»
Ward runzelte die Stirn. «Wer?»
Ich erzählte ihr von dem Mann, der mich auf dem Heimweg angehalten hatte. Die Furchen auf ihrer Stirn wurden tiefer, je länger sie zuhörte.
«Und dieser Reynolds, den hatten Sie vorher noch nie gesehen?»
«Nein, aber er meinte, er wäre vor kurzem erst hergezogen.»
«Aber wohin genau, hat er nicht gesagt? Keine Hausnummer?»
Ein Schauder durchlief mich, als ich den Kopf schüttelte. «Sie meinen, er könnte etwas damit zu tun haben?»
«Ich habe keine Ahnung, Dr. Hunter. Aber irgendwer bezweckt hier offensichtlich irgendwas, und solange wir nicht wissen, was, sollte ich jemandem mit Ihrer Erfahrung eigentlich nicht sagen müssen, dass er nicht mit Fremden reden soll.»
Sie war verstimmt, und ich konnte es ihr nicht verdenken. Vielleicht hätte ich vorsichtiger sein sollen, aber ich hatte mich nicht vertreiben lassen, als ich bei mir zu Hause in der Tür niedergestochen worden war, und das wollte ich jetzt erst recht nicht. «Ich wohne hier. Ich kann nicht jedes Mal weglaufen, wenn mich jemand schief anschaut.»
«Nein, aber …» Sie verkniff sich die Bemerkung, die ihr auf der Zunge lag. «Nein, ich weiß. Aber nach dieser Geschichte hier müssen wir, glaube ich, etwas proaktiver werden. Als Erstes werde ich morgen veranlassen, dass vor dem Haus eine verdeckte Kamera angebracht wird. Falls irgendjemand noch mehr Überraschungen für Sie auf Lager hat, werden wir beim nächsten Mal wenigstens sehen, wer es ist. Sie haben doch nichts dagegen?», fügte sie noch hinzu, um die Form zu wahren.
Ich schaute mich zu meiner Wohnung um. Der Gedanke, dass jemand in meine Privatsphäre eindrang, war mir zuwider. Aber irgendjemand hatte mich zweimal aufs Korn genommen, und ich hatte immer noch keine Ahnung, warum. Oder was er oder sie beim nächsten Mal tun würde.
«Einverstanden», erwiderte ich.
Am nächsten Morgen blieb ich zu Hause, während die Polizei die Kamera installierte. Sie war hinter einem Rankgitter so gut wie unsichtbar, gab aber ein deutliches Bild vom Torweg und der Tür. Ein ebenso unauffälliger Sensor war etwas höher an der Wand befestigt und löste einen Telealarm aus, sobald jemand den Weg entlangkam. Ward versicherte mir, dass ein Polizeiwagen binnen Minuten eintreffen würde, falls die betreffende Person sich verdächtiger verhielt als der Postbote.
Mehrere Tage lang geschah nichts. Weder an der Sporttasche noch am Einkaufsbeutel wurden Fingerabdrücke gefunden, was nicht wirklich eine Überraschung war. Wer berechnend genug war, um ein menschliches Körperteil vor dem Haus eines Forensikers abzulegen, war zweifellos auch gewitzt genug, um Handschuhe zu tragen. Aber keine weiteren Körperteile menschlicher oder sonstiger Natur tauchten vor meiner Haustür auf. Auch wenn ich die Kamera nicht ganz vergessen konnte, gewöhnte ich mich doch wenigstens an den Gedanken, dass sie da war.
Was nicht hieß, dass ich darüber glücklich war.
Gegen Ende
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