Katz und Maus. Rowohlt E-Book Only: Eine David Hunter Story (German Edition)
warum man es mir vor die Wohnung gelegt hatte.
Die neue Leiterin des Forensischen Instituts war alles andere als begeistert gewesen, dass ich unsere Verabredung nicht eingehalten hatte, vor allem als ich ihr den Grund nannte. Die Universität sah es nicht ungern, dass ich für die Polizei beratend tätig war, aber forensische Experten hatten gefälligst im Hintergrund zu agieren. So eine Geschichte warf kein gutes Licht auf das Institut.
Es verbesserte meine Laune nicht, dass der einzige Parkplatz, den ich fand, ein paar hundert Meter von meiner Wohnung entfernt war. Die Straßenbeleuchtung war angegangen, und auf meinem Weg sah ich, dass mehrere Lampen nicht brannten. Dadurch gab es stockfinstere Abschnitte auf dem Bürgersteig, und als ich gerade einen durchquerte, hörte ich einen Schrei.
«Hallo! Warten Sie mal kurz!»
Als ich mich umdrehte, sah ich jemanden auf mich zueilen. Einen Mann, in einen schweren Mantel gehüllt. Erst da wurde mir bewusst, wie leer die Straße war, und mir fiel wieder Wards Ermahnung ein, vorsichtig zu sein.
Zu spät, dachte ich.
Wenigstens sah der Mann nicht gefährlich aus, als er seine Schritte verlangsamte. Er war im mittleren Alter, fast kahl auf dem Kopf und übergewichtig genug, um durch die paar Laufschritte außer Puste zu sein. Aber ich hatte im Leben schmerzhaft erfahren müssen, wie sehr das Äußere trügen konnte. Ich fasste die Ledertasche mit meinen Papieren und dem Laptop fester, sodass ich sie bei Bedarf schwingen konnte. Schwer atmend hielt er ein kurzes Stück vor mir an.
«Sie sind doch dieser Forensiker, nicht wahr?»
Ich wusste nicht, wo ich ihn hintun sollte. «Verzeihung, kennen wir uns?»
«Nein, aber wie ich höre, war die Polizei heute Morgen bei Ihnen zu Hause. Ich würde gern wissen, was da los war.»
Es war weniger eine Frage als eine Forderung. «Warum?»
«Ich heiße Reynolds, Peter Reynolds. Meine Frau und ich sind erst kürzlich hierhergezogen. Ich bin dabei, eine Nachbarschaftswache zu organisieren, deshalb bin ich natürlich sehr beunruhigt, wenn ich höre, dass die Polizei hier gewesen ist.»
Ich entspannte mich ein wenig. Er strömte eine wohlgenährte Überheblichkeit aus, die mir gegen den Strich ging. Doch er wirkte harmlos, und eine Nachbarschaftswache war wahrscheinlich gar nicht das Schlechteste. Ganz gewiss hätte sie mir in der Vergangenheit eine Menge Kummer ersparen können.
«Keine Sorge, es war kein Einbruch oder so was», sagte ich. «Aber danke der Nachfrage.»
«Was war es dann? Die Polizei rückt doch nicht wegen nichts an.»
Wenn er weniger aufdringlich gewesen wäre, hätte ich es ihm vielleicht erzählt. In solchen Situationen ist die Wahrheit besser als ein Gerücht, und einige Leute mussten gesehen haben, wie die Polizei etwas mitnahm. Aber es widerstrebt mir immer, Einzelheiten preiszugeben, und der Tag war lang gewesen.
«Ich darf Ihnen leider keine Auskunft geben», sagte ich. «Falls Sie Näheres wissen möchten, müssen Sie sich an die Polizei wenden.»
«Das ist doch lächerlich!», polterte er. «Als Anwohner habe ich das Recht zu erfahren, was in meiner Straße vorgeht.»
In dem Moment piepte mein Telefon. Es war nur eine SMS, aber ich war froh über die Ausrede. «Tut mir leid, ich muss gehen. Fragen Sie nach Detective Inspector Ward», fügte ich noch hinzu und bat sie im Stillen um Verzeihung, dass ich ihr den Mann auf den Hals hetzte.
Im Fortgehen zog ich mein Handy heraus und las die SMS. Sie war von einem Kollegen am Institut, der mich daran erinnerte, dass wir später in der Woche zum Essen verabredet waren. Als ich mich meiner Wohnung näherte, bedauerte ich bereits mein brüskes Verhalten gegenüber dem Neuzugezogenen. Tolle Leistung, sehr diplomatisch. Als ich in meinen Torweg einbog, blieb ich stehen.
Es lag etwas vor der Tür.
Ich blickte mich um. Fenster zur Straße waren erleuchtet, doch es war niemand zu sehen. Auch mein besorgter Nachbar war verschwunden. Vorsichtig ging ich den Weg entlang. Der Gegenstand vor der Tür steckte in einem schlichten weißen Einkaufsbeutel. Er war von der biologisch abbaubaren Sorte, durchsichtig genug, dass man den Umriss eines dicken Gelenkknochens darin erkennen konnte.
«Das soll wohl ein Witz sein», sagte ich, als mir klar wurde, worauf ich da schaute. Dann nahm ich mein Handy und rief Ward an.
Das Nagetier hatte mehrere Minuten im Loch gewartet. Es schnupperte, sämtliche Sinne auf ein mögliches Anzeichen von Gefahr gerichtet.
Urplötzlich
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