Katz und Maus. Rowohlt E-Book Only: Eine David Hunter Story (German Edition)
der Nacht, viel zu früh, um Ward anzurufen. Ich wusste nicht, ob sie noch im Dienst war, und ich wollte nicht riskieren, sie wegen etwas zu wecken, das letztlich doch nur eine Theorie war. Aber ich wollte auch nicht warten. Deshalb schickte ich ihr eine SMS mit einer einzigen Frage.
Dann machte ich mir einen Kaffee und wartete.
Es war eine idyllische Straße, große georgianische Häuser mit hohen Mauern und Zäunen, von alten Bäumen eingewachsen, die gerade neue Blätter zu treiben begannen. Ich zeigte dem jungen Wachtmeister meinen Ausweis und wurde durch die Absperrung gelassen. Ich zog mir den Overall und die sonstige Schutzkleidung über, die am Tatort eines Verbrechens nun mal dazugehört, und begab mich dann zu einem der Häuser, um Detective Inspector Ward zu treffen. Es hob sich in keiner Weise von den anderen Häusern ringsherum ab: der schmucke Wohnsitz einer gutsituierten Familie.
Als ich an die Tür kam, ging sie auf, und zwei Polizeibeamte führten einen hochgewachsenen Mann über sechzig heraus. Er hatte zurückgekämmte graue Haare und eine schwarze Hornbrille, die ihm ein akademisches Aussehen verlieh. Auf seinem Gesicht lag Schock, Tränen liefen ihm über die Wangen. Er war ein Bild des Jammers, nur die Handschellen störten den Eindruck.
Ich trat beiseite, während die Beamten ihn abführten. Er nahm mich überhaupt nicht wahr, aber er hatte auch keinen Grund dazu. Wir kannten uns nicht.
Ich fand Ward in dem umfriedeten Garten hinterm Haus. Mit seinen exotischen Pflanzen und der langen, makellosen Rasenfläche wirkte er vorbildlich gepflegt. Die Mauer, die ihn umgab, war mit hohen Bäumen gesäumt, die ihn noch zusätzlich von den Nachbarn abschirmten. Im Augenblick wimmelte er von seltsamen Gestalten, die in ihren Overalls mit den Kapuzen und Gesichtsmasken wie Außerirdische aussahen. Eine davon wandte sich mir zu, und als sie näher kam, erkannte ich, dass es Ward war.
«Sie sind hier unten», sagte sie. «Wir warten auf den Pathologen, deshalb haben wir noch nichts entfernt. Ich hoffe, Sie haben einen starken Magen.»
Die Holzkisten standen im Schutz einer Gruppe von Sträuchern. Es waren vier, jede im Format eines mittelgroßen Tischs, mit netzbespannten Luftlöchern versehen und mit einer Isolierung umkleidet. Die Deckel standen offen, und Spurensicherer fotografierten, was sich darin befand. Der Geruch wurde stärker, je näher wir kamen: gleichzeitig stechend süßlich und faulig. Um ihnen nicht die Sicht zu versperren, begab ich mich auf die andere Seite einer Kiste und blickte hinein. Sie war voller Würmer, eine sich windende und wimmelnde Masse.
Fast verborgen darunter lag wie ein Stein in einer trägen Brandung ein verwester menschlicher Kopf.
«Wir glauben, wir haben den ganzen Körper beisammen. Alle Teile sind da. Bis auf das Bein und den Fuß natürlich», sagte Ward. «Eine der Kisten ist beschädigt, anscheinend hat also ein Fuchs gewittert, was drin war, und ist eingedrungen. Er muss sich mit dem Bein verdrückt haben, aber es hat ihm wohl nicht so gut geschmeckt, dass er wiedergekommen wäre und sich mehr geholt hätte.»
Das überraschte mich nicht. Regenwürmer sind nicht so effizient – und nicht so gefräßig – wie Schmeißfliegenlarven, was die Verarbeitung von tierischem Gewebe betrifft. Trotzdem erzeugen einige tausend unentwegt verdauende und ausscheidende Würmer genug Wärme, um den biochemischen Vorgang der Verwesung wesentlich zu beschleunigen. Es ist eine billige und einfache Art, Kompost zu produzieren. Man halte die Würmer nur warm und trocken und füttere sie mit Küchenabfällen, und sie produzieren einen reichen natürlichen Dünger.
Wurmkot, mit anderen Worten.
Als Dr. Chens Bemerkung über die torfartige Substanz und seinen Garten einmal aus meinem Unterbewussten aufgestiegen war, hatte ich keine Mühe gehabt, mir den Rest zusammenzureimen. Die Wurmkompostierung ist in Großbritannien nicht so gebräuchlich wie in einigen anderen Ländern, doch sie ist ein Verfahren, auf das ein kundiger Gärtner verfallen kann. Der entscheidende Punkt war, dass die meisten Wurmkomposter fliegensicher gebaut werden, und als mir das einmal klar geworden war, hatte meine Frage an Ward auf der Hand gelegen.
Ich hatte sie gefragt, ob der Gartenbaudozent mit der vermissten Frau Kompostbehälter im Garten hatte.
«Die Säge, mit der er die Leiche zerteilt hat, ist hier drin.»
Die Kriminalbeamtin führte mich zu einem großen Schuppen. Im Inneren waren
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