Katz und Maus
hat sich das zerbrechliche Ding, das nach Laune mitschwamm, als wir den zweiten Sommer auf dem Kahn kleinbekamen, nie vor uns geniert, wenn wir die Badehosen schonten, uns blank auf dem Rost lümmelten und nichts oder nur ganz wenig mit uns anzufangen wußten.
Tullas Gesicht wäre mit einer Punkt Komma Strich Zeichnung wiederzugeben. Eigentlich hätte sie Schwimmhäute zwischen den Zehen haben müssen, so leicht lag sie im Wasser. Immer, auch auf dem Kahn, trotz Seetang, Möwen und säuerlichem Rost, stank sie nach Tischlerleim, weil ihr Vater in der Tischlerei ihres Onkels mit Leim zu tun hatte. Sie bestand aus Haut, Knochen und Neugierde. Ruhig, über gestütztem Kinn, guckte Tulla zu, wenn Winter oder Esch nicht mehr drum herum kamen und ihren Obolus entrichteten. Mit durchtretender Wirbelsäule hockte sie Winter, der immer lange brauchte, um fertig zu werden, gegenüber und maulte: »Mensch, das dauert aber.«
Als das Zeug endlich kam und auf den Rost klatschte, begann sie erst richtig zappelig zu werden, warf sich auf den Bauch, machte enge Rattenaugen, guckte guckte, wollte ichweißnichtwas entdecken, hockte wieder, ging auf die Knie, stand leicht x-beinig darüber und begann mit beweglichem großen Zeh zu rühren, bis es rostrot schäumte: »Mensch, prima! Mach Du jetzt mal, Atze.« Dieses Spielchen – und es ging wirklich harmlos dabei zu – wurde Tulla nie langweilig. Näselnd bettelte sie: »Mach doch mal. Wer hat heut noch nich? Du bist jetzt dran.«
Immer fand sie Dumme und Gutmütige, die sich, auch wenn ihnen gar nicht danach war, an die Arbeit machten, damit sie etwas zu gucken hatte. Der einzige, der nicht mitmischte, bis Tulla das richtige anstachelnde Wörtchen fand, war - und deshalb wird diese Olympiade beschrieben – der große Schwimmer und Taucher Joachim Mahlke. Während wir alle jener schon in der Bibel belegten Beschäftigung allein oder – wie es im Beichtspiegel heißt – zu mehreren nachgingen, blieb Mahlke immer in seiner Badehose, guckte angestrengt in Richtung Heia. Wir waren sicher, daß er zu Hause, in seiner Bude zwischen Schnee-Eule und Sixtinischer Madonna den gleichen Sport betrieb. Da kam er gerade von unten hoch, bibberte wie üblich und brachte nichts mit, das er hätte vorzeigen können. Schilling hatte schon einmal für Tulla gearbeitet. Ein Küstenmotorschiff lief mit eigener Kraft ein. »Mach doch nochmal«, bettelte Tulla, denn Schilling konnte am meisten machen. Auf der Reede lag kein einziger Pott. »Nich nachem Baden. Morgen wieder.« Vertröstete Schilling, und Tulla drehte sich auf der Hacke, wippte auf gespreizten Zehen Mahlke gegenüber, der wie immer im Schatten hinter dem Kompaßhäuschen klapperte aber noch nicht hockte. -Ein Hochseeschlepper mit Buggeschütz lief aus.
»Kannste das auch? Mach doch mal. Oder kannste das nich? Willste nich? Darfste nich?«
Mahlke trat halb aus dem Schatten und wischte Tulla links rechts mit Handfläche und Handrücken das kleine und gedrängt gezeichnete Gesicht. Das Ding an seinem Hals geriet außer Rand und Band. Auch der Schraubenzieher tat verrückt. Tulla weinte natürlich keinen Tropfen, lachte meckernd mit geschlossenem Mund, kugelte sich vor ihm, verdrehte ihre Gummiglieder und guckte aus mühelos geschlagener Brücke zwischen Strichbeinen hindurch solange in Richtung Mahlke, bis der, schon wieder im Schatten – und der Schlepper drehte nach Nordwest ab – »Na schön« sagte. »Damit Du endlich die Schnauze hältst.«
Tulla gab sogleich die Brücke auf und kauerte normal mit untergeschlagenen Beinen, als sich Mahlke die Badehose bis zu den Knien herunterpellte. Kinder staunten im Kasperletheater: einige kurze Bewegungen aus dem rechten Handgelenk heraus, und sein Schwanz stand so sperrig, daß die Eichel aus dem Schatten des Kompaßhäuschens herauswuchs und Sonne bekam. Erst als wir alle einen Halbkreis bildeten, reckte sich Mahlkes Stehaufmännchen wieder im Schatten.
»Darf ich mal schnell, nur ganz schnell?« Tullas Mund blieb offen. Mahlke nickte und ließ seine rechte Hand fallen aber als Griff bestehen. Tullas immer zerkratzte Hände wirkten verloren an jenem Ding, das unter prüfenden Fingerkuppen Umfang gewann, Geäder schwellen und die Eichel anlaufen ließ.
»Meß doch mal nach!« rief Jürgen Kupka. Einmal ganz und einmal knapp mußte Tulla die linke Hand spreizen. Jemand und noch jemand flüsterte: »Mindestens dreißig Zentimeter.« Das war natürlich übertrieben. Schilling, der von uns allen
Weitere Kostenlose Bücher