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Katz und Maus

Katz und Maus

Titel: Katz und Maus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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Schritte machten.
    Nein, ich habe mich nicht nach ihm umgesehen. Unglaubhaft? Aber ein Sätzchen wie: »Mahlke schaute sich nicht nach mir um«, wird keinem Zweifel begegnen. Mehrmals mußte ich hinter mich blicken, weil mir niemand, auch das Bengelchen nicht, mit seinem lauten Spielzeug, entgegenkam und half.
    Dann sah ich Dich, wenn ich nachrechne, über ein Jahr lang nicht; aber Dich nicht sehen hieß und heißt nicht, Dich und Deine angestrengte Symmetrie vergessen können. Zudem blieben Spuren: sah ich eine Katze, ob grau, schwarz oder gesprenkelt, lief mir sogleich die Maus durchs Blickfeld; doch weiterhin übte ich mich im Zögern und blieb unschlüssig, ob das Mäuschen geschützt, ob die Katze zum Fangen gestachelt werden sollte.
    Bis zum Sommer hausten wir in der Strandbatterie, spielten endlose Handballturniere, wälzten uns an sonntäglichen Besuchtstagen mehr oder weniger geschickt mit immer denselben Mädchen und Schwestern der Mädchen in den Stranddisteln der Dünen: nur ich ging leer aus, und habe das Zögern und Ironisieren dieser meiner Schwäche bis heute nicht verloren. Was gab's noch? Pfefferminzdropszuteilungen, Belehrungen über Geschlechtskrankheiten, vormittags Hermann und Dorothea, nachmittags das Gewehr 98 K, Post, Vierfruchtmarmelade, Wettsingen – auch schwammen wir während der dienstfreien Stunden zu unserem Kahn, trafen dort regelmäßig auf Rudel nachgewachsener Tertianer, ärgerten uns und konnten beim Zurückschwimmen nicht verstehen, was uns drei Sommer lang an jenes, vom Möwenmist überkrustete Wrack gefesselt hatte. Später wurden wir in die Achtkommaachtbatterie Pelonken, dann in die Batterie Zigankenberg verlegt. Drei- oder viermal gab es Alarm, und unsere Batterie war am Abschuß eines viermotorigen Bombers beteiligt. Wochenlang wurde von Schreibstuben aus über den Zufallstreffer gestritten – zwischendurch Drops, Hermann und Dorothea, Grüßen im Vorbeigehen.
    Noch vor mir kamen Hotten Sonntag und Esch, weil sie kriegsfreiwillig waren, zum Arbeitsdienst. Ich hatte, wie immer zögernd und zwischen den Waffengattungen schwankend, den Meldetermin verpaßt und machte Februar vierundvierzig mit der guten Hälfte unserer Klasse im Inneren der Unterrichtsbaracke ein beinahe regelrechtes Friedensabitur, bekam prompt die Einberufung zum Arbeitsdienst, wurde von den Luftwaffenhelfern entlassen und versuchte, weil ich noch gute vierzehn Tage Zeit hatte, und um irgendeinen Abschluß, außer dem Abitur zu finden, bei wem wohl, wenn nicht bei Tulla Pokriefke, die etwa sechzehn oder mehr war und ziemlich jeden ran ließ, zu landen, hatte aber kein Glück und wurde auch mit Hotten Sonntags Schwester nicht fertig. In diesem Zustand – lindernd wirkten die Briefe einer meiner Cousinen, die man mit Familie wegen totalem Bombenschaden nach Schlesien evakuiert hatte – machte ich Hochwürden Gusewski einen Abschiedsbesuch, versprach ihm, während der zu erwartenden Fronturlaube als Ministrant einzuspringen, erhielt außer einem neuen Schott ein handliches Metallkruzifix – Sonderanfertigung für katholische Einberufene – und begegnete auf dem Rückweg, Ecke Bärenweg Osterzeile, Mahlkes Tante, die auf der Straße eine dickglasige Brille trug und nicht zu umgehen war. Sie begann, noch ehe wir uns begrüßt hatten, ländlich breit und dennoch schnell zu sprechen. Näherten sich uns Passanten, faßte sie meine Schulter, und zog eines meiner Ohren vor ihren Mund. Heiße Sätze mit feuchtem Niederschlag. Belangloses zuerst. Einkaufgeschichten: »Nech mal das kann man kriegen, was ainem zusteht auf Karten.« So erfuhr ich, daß schon wieder keine Zwiebeln vorrätig, daß aber bei Matzerath brauner Zucker und Gerstengrütze zu bekommen seien, auch daß der Fleischer Ohlwein Schmalzfleischkonserven erwarte – »Ahles vom Schwain.« Endlich, ohne ein Stichwort von meiner Seite, das eigentliche Thema: »Dem Jung jeht nu. besser, wenner och nech grad von Besserjehn schraibt. Aber hat ja nie jeklagt, jenau wie sain Vater, was main Schwager is. Ond ainjesetzt harn se ihm, jadoch, bai de Panzer. Da wird ä nu wohl jeschitzter sain als bai de Infamrie, och bai Rejenwättä.«
    Dann kroch ihr Flüstern in mein Ohr, und ich erfuhr von Mahlkes neuen Merkwürdigkeiten, von Kritzeleien, als hätte ein Schulkind unter der Unterschrift jedes Feldpostbriefes gezeichnet. »Dabei hattä als Kind nie jezaichnet, nur wennä inne Schule mit Tusche häd malen jemißt. Abä hier is ja sain Brief von neilich in

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