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Katz und Maus

Katz und Maus

Titel: Katz und Maus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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Tasche ond schon so väknillt. Wissense, Harr Pilenz, so viel wolln läsen, wie dem Jung jeht.«
    Und es zeigte mir Mahlkes Tante Mahlkes Feldpostbrief. »Nu läsen Se man.« – Aber ich las nicht. Papier zwischen Fingern ohne Handschuhe. Kam ein trockner Wind vom MaxHalbe-Platz tütenspitz gekreiselt und war nicht aufzuhalten. Schlug mein Herz mit dem Stiefelabsatz und wollte die Tür eintreten. Sprachen sieben Brüder in mir, und keiner schrieb mit. Wehte zwar Schnee aber das Briefpapier blieb deutlicher, obgleich es graubraun keine Qualität besaß. Kann heute sagen, begriff sofort, starrte aber nur, ohne hinsehen, begreifen zu wollen; denn ich hatte, schon bevor das Papier nahe meinen Augen knisterte, begriffen, daß Mahlke wieder am Zug war: kriggelige Strichzeichnungen unter sauberer Sütterlinschrift. In bemüht schnurgerader Reihe, dennoch verrutscht, weil ohne Untergrund, acht zwölf dreizehn vierzehn ungleich flachgedrückte Kreise, und auf jeder Niere ein warzenähnlicher Ableger, und aus jeder Warze zeigten daumennagellange, die verbeulten Wannen überragende Balken zum linken Blattrand, und alle diese Panzer – denn so unbeholfen die Zeichnungen waren, erkannte ich dennoch den russischen T 34 – hatten an einer Stelle, zumeist zwischen Turm und Wanne, eine kleine warzentilgende Markierung, jenes den Treffer bescheinigende Kreuz; zudem – und weil der Registratur mit begriffstutzigen Betrachtern seiner Zeichnung gerechnet hatte – durchkreuzten nachdrückliche und die Ausmaße der gestrichelten Panzer überholende Blaustiftkreuze alle vierzehn – soviel waren es wohl – bleistiftskizzierten T 34.
    Nicht ohne Selbstgefälligkeit klärte ich Mahlkes Tante auf, es handle sich offensichtlich um Panzer, die Joachim abgeschossen habe. Aber Mahlkes Tante zeigte sich gar nicht erstaunt, das hätten ihr schon viele gesagt, doch könne sie nicht verstehen, warum es mal mehr mal weniger seien, einmal nur acht und auf dem vorletzten Brief siebenundzwanzig Stück.
    »Womeglich isses, weil die Post so unräjelmäßich ainem ins Haus kommt. – Doch nu missen Se läsen, Harr Pilenz, was onser Joachim schraibt. Och von Sie schraibt er, wachen Kerzen – aber wä haben schon wälche jekriegt.« Nur aus den Augenwinkeln überflog ich den Brief: Mahlke zeigte Fürsorge, erkundigte sich nach den kleinen und großen Gebrechen seiner Mutter und seiner Tante – der Brief war an beide Frauen gerichtet – fragte nach Krampfadern und Rückenschmerzen, wollte über den Zustand des Gartens unterrichtet werden: »Hat der Pflaumenbaum wieder gut getragen? Was machen meine Kakteen?«"Knappe Sätze über seinen Dienst, den er anstrengend und verantwortungsvoll nannte: »Natürlich haben wir auch Verluste. Aber die Jungfrau wird mich auch weiterhin beschützen.« Im Anschluß die Bitte, Mutter und Tante möchten so gut sein, Hochwürden Gusewski eine oder – wenn's geht – zwei Kerzen für den Marienaltar zu stiften: »Vielleicht kann Pilenz welche besorgen; die bekommen ja Bezugscheine.« Zusätzlich bat er, beim Heiligen Judas Thadäus - einem Neffen zweiten Grades der Jungfrau Maria; Mahlke kannte die heilige Familie – Gebete einzulegen und eine Messe für den verunglückten Vater – »Er verließ uns ja, ohne versorgt gewesen zu sein.« lesen zu lassen. Am Ende des Papiers wieder Kleinkram, bißchen blasse Landschaftbeschreibung: »Könnt Euch nicht vorstellen, wie heruntergekommen hier alles ist, wie armselig die Leute und die vielen Kinder. Kein Elektrisch und Fließendwasser. Manchmal will man nach dem Sinn fragen - aber es muß wohl so sein. Und wenn Ihr mal Lust habt und schönes Wetter ist, dann fahrt doch mit der Bahn nach Brösen raus – aber zieht Euch warm an – und guckt mal nach, ob links von der Hafeneinfahrt, aber nicht so weit draußen, die Aufbauten eines versenkten Schiffes zu sehen sind. Früher lag da mal ein Wrack. Man kann es mit bloßem Auge erkennen, und Tante hat ja ihre Brille – würde mich interessieren, ob es noch . . .« Ich sagte zu Mahlkes Tante: »Da müssen Sie erst gar nicht rausfahren. Der Kahn liegt immer noch an derselben Stelle. Und schönen Gruß an Joachim, wenn Sie ihm wieder schreiben. Er kann beruhigt sein. Hier ändert sich nichts, und den Kahn wird so leicht niemand klauen.«
    Und selbst hätte die Schichauwerft ihn geklaut, das heißt, gehoben, verschrottet oder neu aufgemöbelt, wäre Dir dann geholfen gewesen? Hättest Du aufgehört, auf Feldpostbriefen kindisch genau

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